FDP vor dem Parteitag:"Wabernder Unmut über Westerwelle"

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Mit dem Umbau an der Parteispitze erklärt der designierte FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler die Personaldebatte für beendet. Doch da prescht schon der Nächste vor: Der neue Fraktionsvize Martin Lindner fordert eine schriftliche Abstimmung über den Verbleib Guido Westerwelles im Auswärtigen Amt.

Wenn es nach Philipp Rösler geht, ist bald Schluss mit der Personaldebatte in der FDP. Die Liberalen müssten nach dem am Freitag beginnenden Bundesparteitag in Rostock ihre Glaubwürdigkeit wiedererlangen, sagte der designierte Parteivorsitzende der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post. "Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Entschlossenheit in der Sache, das bringt die FDP wieder auf Kurs."

Der neue Chef der FDP: Philipp Rösler zeigt sich zufrieden mit dem Umbau der Parteispitze, doch in der Partei rumort es weiter. (Foto: dpa)

Doch in der Partei rumort es weiter. Nun fordert der neue stellvertretende Fraktionschef Martin Lindner eine schriftliche Abstimmung über den Verbleib von Guido Westerwelle im Auswärtigen Amt. Nach wie vor gebe es "wabernden Unmut über Westerwelle", sagte Lindner zu Spiegel Online. Mit einer Abstimmung der Basis über den ehemaligen FDP-Chef auf dem Bundesparteitag würde auch verhindert, dass in einer "schmutzigen Weise" über Westerwelle gesprochen werde. "Ich möchte, dass Ruhe einkehrt in der FDP", so Lindner.

Laut Lindner könnte ein Antrag folgendermaßen aussehen: "Der Bundesparteitag fordert Guido Westerwelle auf, sein Amt als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland fortzusetzen." Dieser Antrag könne als Dringlichkeitsantrag von Delegierten selbst eingebracht werden. Lindner fügte hinzu: "Ich appelliere aber an den Bundesvorstand, zu erwägen, ob er nicht von sich aus tätig in dieser Sache wird."

Auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum plädiert für einen Rückzug Westerwelles: "In Sachen Guido Westerwelle darf es keine falsche Loyalität geben, auch wenn seine Ära durchaus Erfolge aufzuweisen hat", schrieb Baum in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt. "Letztlich ist er gescheitert."

Umbau der Führungsspitze

Die Partei hatte am Dienstag eine Rochade an der Spitze vollzogen: Rainer Brüderle wurde zum neuen Fraktionschef gewählt. Er gibt seinen Posten als Bundeswirtschaftsminister ab, den Rösler übernehmen wird. Ihm folgt als Bundesgesundheitsminister der bisherige Staatssekretär Daniel Bahr. Die bisherige Fraktionschefin Birgit Homburger soll einen Posten als Vize-Parteichefin bekommen.

Im ZDF nannte Rösler die personellen Veränderungen in Fraktion und Kabinett das "richtige Signal für den Neustart der Partei". Zu seinen Gründen für den Wechsel aus dem Gesundheits- ins Wirtschaftsministerium sagte Rösler, er habe ein Gesamtkonzept, und dazu gehöre dieser Schritt. "Zunächst einmal muss man die inhaltliche Erneuerung, die wir als FDP anstreben, auch durch personelle Maßnahmen unterstreichen, das haben wir damit getan."

Zugleich bekräftigte Rösler seinen Führungsanspruch. "Ich habe eine Entscheidung für ein Gesamtkonzept getroffen und sie durchgesetzt. Das ist das Prinzip der Führung. Ich bin bereit und in der Lage zu führen." Die Ablösung Homburgers bezeichnete Rösler als notwendig. "Ich habe die internen und öffentlich ausgetragenen Diskussionen über die Führung der Bundestagsfraktion verfolgt. Irgendwann musste ich handeln." Er kündigte an, Homburger als seine erste Stellvertreterin vorschlagen zu wollen.

Dem neuen Fraktionschef Brüderle bescheinigte Rösler Erfahrung und Kompetenz. "Er hat eine enorme Erfahrung und mehr Koalitionen erlebt als wohl jeder von uns. Ein Mann wie Rainer Brüderle kann die Fraktion in schwierigen Zeiten stabilisieren", sagte er.

Meinungsforscher sind allerdings skeptisch, ob der FDP mit Rösler und Brüderle an der Spitze der Stimmungsumschwung gelingt. "Solange Guido Westerwelle Außenminister bleibt, wird sich das Bild der FDP nicht wesentlich verbessern können", sagte der Leiter des Umfrageinstituts Forsa, Manfred Güllner, der hannoverschen Neuen Presse.

Dass sich mit Rösler und Bahr die FDP-Führung verjünge, sei unwichtig. Jugendlichkeit helfe nicht, wenn man keine anderen Fähigkeiten habe, sagte Güllner. Im aktuellen Wahltrend des Magazins Stern und des Fernsehsenders RTL kommen die Liberalen auf vier Prozent. Die Union erhält 31 Prozent, die Grünen 26, die SPD 22 und die Linken neun Prozent.

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Lob für seine Personalentscheidung bekam Rösler aus Bayern: Die Bundesjustizministerin und Landesparteichefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach von der "Chance, mit Philipp Rösler den Neuanfang hinzubekommen. Wir müssen stärker Profil in der Koalition zeigen und den Blick nach vorne richten", sagte sie der Passauer Neuen Presse. Brüderle sei als "Generalist" der richtige Mann für die Fraktion: "Er hat sehr viele Stärken und bringt alles mit, was man als Chef der Bundestagsfraktion braucht."

Auch die bisherige stellvertretende Bundesvorsitzende der Liberalen, Cornelia Pieper, lobte die Wahl Brüderles. "Der Neuanfang der FDP ist gelungen", sagte sie der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung. Mit Blick auf Rösler fügte sie hinzu: "Zwei junge Bundesminister und ein erfahrener Hase als Fraktionsvorsitzender sind gut für die Partei. Das ist ein starkes Signal in die FDP hinein und stärkt Philipp Rösler den Rücken." Pieper tritt auf dem FDP-Bundesparteitag in Rostock nicht mehr an.

Nach der Wahl Brüderles komplettierte die FDP-Bundestagsfraktion am Dienstag ihren neuen Vorstand. Als Stellvertreter des neuen Fraktionschefs wurden Patrick Döring, Heinrich Kolb und Gisela Piltz in ihrem bisherigen Amt bestätigt. Neu gewählt wurden Volker Wissing, Martin Lindner sowie Florian Toncar. Damit scheiden Jürgen Koppelin, Miriam Gruß und Ulrike Flach als stellvertretende Vorsitzende aus. Jörg van Essen bleibt Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion.

Die offizielle Umbildung des Bundeskabinetts ist für Donnerstagvormittag geplant. Dann wolle Bundespräsident Christian Wulff Rösler als Gesundheitsminister entlassen und zum Wirtschaftsminister ernennen, erklärte das Gesundheitsministerium am Dienstag in Berlin. Anschließend wird Daniel Bahr zum neuen Gesundheitsminister ernannt. Aus der Regierung entlassen wird Wirtschaftsminister Brüderle.

Vor diesem Termin müssen die Minister Rösler und Brüderle noch schriftlich um ihre Entlassung bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bitten. Merkel wird dann dem Bundespräsidenten die Ernennung Röslers und Bahrs offiziell vorschlagen. Der 34 Jahre alte Bahr, bislang Parlamentarischer Staatssekretär im Gesundheitsministerium, soll noch am Donnerstag im Bundestag vereidigt werden.

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