FDP-Chef Rösler in Not:Auf ihn mit Gebrüll

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Nichts will Philipp Rösler gelingen, der FDP-Parteichef kommt nicht zur Ruhe. Jetzt muss er sich sogar ungestraft von Ex-Doktortitel-Trägern anraunzen lassen. Röslers Tage als Parteichef scheinen gezählt. Wann schlagen die Putschisten zu?

Thorsten Denkler, Berlin

Das Amt des Bundeswirtschaftsministers gehört zu den schöneren, die im Bundeskabinett zu vergeben sind. Viel zu sagen hat der Minister zwar nicht. Bis auf ein paar Fragen in der Energieversorgung ist er vor allem dafür da, den ordnungspolitischen Wächter zu spielen und Investoren ins Land zu holen. Aber dafür ist es ein Parade-Amt für jemanden, der rhetorische Freiheit braucht, um etwa zugleich auch als Chef einer Regierungspartei innenpolitisch wahrnehmbar zu bleiben.

Philipp Rösler (FDP) scheint der richtige Mann zu sein. Nur dummerweise am völlig falschen Platz. (Foto: dpa)

Philipp Rösler hat damit die besten Vorraussetzungen, in seinen drei Ämtern als Vizekanzler, Parteichef und Wirtschaftsminister zu wachsen. Von Monat zu Monat aber wird deutlicher: Rösler bleibt ein Gefangener der Begrenztheit seiner Persönlichkeit.

Sein alter Freund aus hannoverschen Tagen, David McAllister, lobte Rösler jüngst als einen der anständigsten Politiker, die er kenne. Das mag sein. Aus seinem näheren Umfeld ist nichts Schlechtes über ihn zu hören. Er behandelt Untergebene fair, auf Augenhöhe gar. Egal ob Sekretärin oder Fahrer. Überheblicher Dünkel ist ihm nicht nachzuweisen.

Doch ist genau das sein Problem. Rösler scheint der richtige Mann zu sein. Nur dummerweise am völlig falschen Platz.

"Hau den Philipp"

Inzwischen darf jeder auf ihm herumprügeln. "Hau den Philipp", titelte der Spiegel kürzlich eine Geschichte über den Chef-Liberalen. Darin wird eine von einigen Seiten bestätigte Anekdote zum Besten gegeben: Hessens FDP-Landeschef und Dauernörgler Jörg-Uwe Hahn soll seinen Parteivorsitzenden per SMS für einen Talkshow-Auftritt bei "Günther Jauch" zur Euro-Krise ziemlich frech gerüffelt haben. Rösler Performance sei blamabel gewesen und eines FDP-Chefs nicht würdig, motzte Hahn übers Handy-Netz.

Statt gegenzuhalten und Hahn im Parteivorstand die Leviten zu lesen, dankte Rösler ihm artig für dessen Offenheit. Er habe sich die Kritik zu Herzen genommen und werde versuchen, es besser zu machen. Entsetzen im Rund der FDP-Spitzenleute. Führung hatten sie sich irgendwie anders vorgestellt.

Feuer frei, heißt es seitdem. Und auf ihn mit Gebrüll. Wer dem Philipp einen reinwürgen will, der braucht dafür nicht einmal mehr Deckung. Unter Westerwelle war es nahezu unmöglich, kritische Stimmen einzufangen. Nicht, dass es sie nicht gegeben hätte. Aber die Furcht überwog eindeutig das Bedürfnis, sich öffentlich den Frust von der Seele zu reden.

Mindestens eine Mitschuld

Jetzt muss sich Rösler sogar von einem Jorgo Chatzimarkakis in die Pfanne hauen lassen, ohne dass der einen Sturm der Entrüstung über sich ergehen lassen muss.

Chatzimarkakis ist Europaabgeordneter der FDP und er fand es offenbar nicht gelungen, wie Rösler im ARD-Sommerinterview den Griechen den Austritt aus der Euro-Zone nahelegte.

Im Deutschlandfunk ätzte Chatzmarkakis, Rösler trage damit mindestens eine Mitschuld am Absacken der griechischen Börse und der Verunsicherung der Finanzmärkte. Der FDP-Chef habe als Vizekanzler und Wirtschaftsminister des bedeutendsten EU-Landes seine Worte sorgfältiger zu wägen. Röslers Verhalten sei "unprofessionell", "nicht in Ordnung", dürfe "auch nicht noch mal passieren" und sei überdies "grob fahrlässig".

Chatzimarkakis gehört in der Partei eigentlich zu denen, die sich besser still verhalten sollten. Am 13. Juli vor ziemlich genau einem Jahr hat er seinen Doktorgrad verloren, weil er mehr als die Hälfte seiner Arbeit nicht selbst verfasst habe, monierte seine Uni. Andere, denen Ähnliches passiert ist, halten sich seitdem bedeckt - wie etwa die frühere Vorzeige-Liberale Silvana Koch-Mehrin.

Chatzimarkakis aber sucht offenbar das politische Comeback und sieht seine Chance ausgerechnet darin, dem Parteivorsitzen ans Bein zu pinkeln. Es ist ein bisschen so, als würde ein verurteilter Bankräuber dem Polizeichef vorwerfen, nicht genug für die Sicherheit der Bürger zu tun.

Wie schlimm es um Rösler steht, zeigt sich daran, dass sich außer seinem treuen Freund und Generalsekretär Patrick Döring weit und breit niemand findet, der sich imstande sieht, Rösler in Schutz zu nehmen.

Rösler ist ein Parteichef auf Abruf. Gerätselt wird nur noch, wann es ihn erwischt. Retten können ihn nur nachhaltige Erfolge. Die sind aber nicht in Sicht.

Dass die Energiewende stockt, hat er mit vermasselt. Das Erfolgserlebnis, Joachim Gauck gegen Angela Merkel ins Amt des Bundespräsidenten verholfen zu haben, verblasst zunehmend. Zumal Gauck sich wenig dankbar zeigt. Nach und nach besetzt er wichtige Posten mit zumindest grün angehauchten Personen. Und von der ordnungspolitischen Großtat, die 5000 Schlecker-Frauen im Regen stehen zu lassen, sind nur hartleibige Liberale überzeugt.

Eher verkrampft versuchten indes seine Leute, die relativen Wahlerfolge der FDP in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein auf Röslers Guthaben-Konto zu verbuchen. Vergeblich. Alle wissen, dass es ohne Christian Lindner und Wolfgang Kubicki nichts geworden wäre. Das magere Plus in den Umfragen nach den Wahlen ist wieder dahingeschmolzen. Vier Prozent. Das ist die Marke, die Rösler mit seinen Mitteln anscheinend nicht zu überwinden vermag.

Sieht es im Herbst nicht besser aus, dann wird die Führungsdebatte unvermeidlich wieder aufbrechen. Spätestens die Wahl in Niedersachsen Mitte Januar dürfte endgültig über Röslers politische Zukunft entscheiden. Dort müssen er und sein General Döring zeigen, dass sie Wahlkampf können.

In Niedersachen sind beide politisch groß geworden. Anders als Kubicki und Lindner ist der dortige Spitzendenkandidat Stefan Birkner aber nur eingeweihten Politik-Experten bekannt. Da müssen es Rösler und Döring schon richten. Sonst wird über sie gerichtet.

Die einfache Formel lautet: Lieber mit der etwas angestaubten aber jederzeit einsatzbereiten Dampfwalze Brüderle in den Bundestags-Wahlkampf ziehen als mit dem netten und jungen Herrn Rösler, der aber nicht mal mehr die eigenen Leute überzeugen kann. Das Risiko ist groß, so oder so. Sollte die FDP den Einzug in den Bundestag verpassen, dann steht nicht weniger als die Existenz der FDP auf dem Spiel.

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