EU-Türkei-Deal:EU zieht verhalten positive erste Bilanz des Deals mit der Türkei

Lesezeit: 2 min

Kurz vor dem Ziel gestoppt: Griechische Soldaten räumen die Wohncontainer von Flüchtlingen in Idomeni an der mazedonischen Grenze. (Foto: Daniel Mihailescu/AFP)

Ein wichtiges Ziel sei erreicht, sagt die Kommission: Auf den griechischen Inseln kommen deutlich weniger Flüchtlinge an. Ein Verteilschlüssel für syrische Flüchtlinge ist offenbar auch gefunden.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Vier Wochen nach der Vereinbarung mit der Türkei in der Flüchtlingskrise hat die EU-Kommission eine verhalten positive erste Bilanz gezogen. Bei der Umsetzung sei ein "guter Fortschritt" erzielt worden, sagte Kommissar Dimitris Avramopoulos am Mittwoch in Brüssel. Das sei Ergebnis einer Zusammenarbeit mit den Behörden in Griechenland und der Türkei und diversen internationalen Organisation. Man stehe aber noch "am Beginn der Arbeit".

Ein wichtiges Ziel sei erreicht worden: Die Zahl der auf den griechischen Inseln ankommenden Flüchtlinge sei stark gesunken, von knapp 27 000 in den drei Wochen vor dem Abkommen auf knapp 6000 in den drei Wochen danach.

Die Türkei hatte am 18. März zugesagt, alle neu ankommenden Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen. Für jeden zurückgenommenen Syrer sollen die EU-Staaten zunächst einen Syrer aus der Türkei nach Europa umsiedeln. Später will die EU im großen Stil syrische Flüchtlinge auf freiwilliger Basis aus der Türkei nach Europa bringen. Bis 2018 wird sie sechs Milliarden Euro zur Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei ausgeben. Der Türkei kommt sie bei der Visa-Liberalisierung und der Eröffnung weiterer Kapitel in den Beitrittsverhandlungen entgegen.

Deutsch-türkische Beziehungen
:Die vergessene Liebe zwischen Türken und Deutschen

Es gibt eine türkisch-deutsche Geschichte, einen türkisch-deutschen Mittelstand und türkisch-deutsche Literatur. Wieso nur nimmt das kaum jemand wahr?

Von Gustav Seibt

Einigung auf Verteilungsschlüssel soll unmittelbar bevorstehen

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wollen sich die EU-Staaten am Donnerstag auf einen Verteilungsschlüssel für die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei einigen. Demnach könnten in den kommenden vier Monaten etwa 1100 Menschen pro Monat in die EU umgesiedelt werden, die meisten von ihnen nach Norwegen (218), Frankreich (148) und Italien (118). Deutschland würde demnach monatlich 100 syrische Flüchtlinge aufnehmen.

Die Kommission hat über Flugblätter und soziale Medien versucht, Migranten über das Abkommen mit der Türkei zu informieren und möglicher "Falschinformation" entgegenzutreten. "Die Botschaft verbreitet sich, dass es keine gute Idee ist, sich an die Schmuggler zu wenden", sagte der Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans. Der Grenzschutzagentur Frontex gelinge es darüber hinaus, in Zusammenarbeit mit Nato-Schiffen 80 bis 90 Prozent der noch von der türkischen Küste aus startenden Flüchtlingsboote aufzuspüren.

Griechenland habe seine Prozeduren zum Umgang mit den Flüchtlingen auf allen Ebenen beschleunigt, so die Kommission. Die Aufnahmezentren auf den Inseln seien jetzt "voll in Betrieb"; sie wurden so umgebaut, dass Flüchtlinge während der Zeit, in der ihre Anträge bearbeitet werden, die Camps nicht verlassen dürfen. Anders als bisher beantragen inzwischen sehr viele Ankömmlinge Asyl, was die griechischen Behörden überlastet. Das niederländische Fernsehen berichtete kürzlich, auf der Insel Chios behandle ein griechischer Beamter täglich zwei Fälle in einem Lager mit mehr als tausend Flüchtlingen.

Bisher sind nur 67 von 400 Dolmetschern eingetroffen

Die Hilfe trifft nur langsam in Griechenland ein. Bisher sind 63 von 472 angeforderten Beamten des EU-Asylbüros Easo angekommen sowie 67 von 400 Dolmetschern, was besonders verzögernd wirkt. Frontex stehen 318 der 1500 erbetenen Rückführungsbeamten zur Verfügung. Bisher wurden 325 Personen in die Türkei zurückgeschickt, die kein Asyl in Griechenland beantragt haben, überwiegend Pakistaner und Afghanen, aber auch zwei Syrer. Im Gegenzug haben die EU-Staaten im Rahmen des Eins-zu-eins-Mechanismus 103 Syrer aus der Türkei umgesiedelt. Sie wurden nach Deutschland, Finnland, Schweden und in die Niederlande geflogen.

Die Wünsche der EU nach rechtlichen Änderungen haben Griechenland und die Türkei laut Kommission weitgehend erfüllt. Es stehe nur noch eine Zusage der Türkei hinsichtlich der Behandlung zurückgeführter Nicht-Syrer aus.

Bei der Visa-Liberalisierung fordert die Kommission Ankara zur Eile auf. Bis Ende April müssen 72 Anforderungen erfüllt sein, damit türkische Staatsbürger von Juli an freien Zugang zur EU haben. Probleme sieht Brüssel unter anderem noch beim Datenschutz, der visafreien Einreise für alle EU-Bürger, dem Zugang aller Flüchtlinge zum Arbeitsmarkt, der Abwicklung von Asylverfahren sowie beim Schutz von Grundrechten.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Nato-Mission in der Ägäis
:Land in Sicht

Die deutsche Marine überwacht mit Nato-Partnern die Flüchtlingsrouten in der Ägäis. Doch welchen Effekt hat die Mission? Sicher ist, dass sie Griechen und Türken einander näherbringt.

Von Christoph Hickmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: