EU-Pläne zum Angeln:Kontrolleur am Karpfenteich

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Wie viele Karpfen waren heute am Haken? Nach EU-Plänen soll bald jeder Hobby-Angler seinen Fang melden. Auch ein Strafensystem mit Punkten ist angedacht.

C. Gammelin

Unweit der Brüsseler Innenstadt liegen zwei von mächtigen Bäumen und einer schmalen Wiese gesäumte Weiher zwischen dreckigen Straßen. Die kleinen Gewässer müssen ständig belüftet werden, um sie vor dem biologischen Tod als stinkende, schlierige Tümpel zu bewahren.

Hobby-Angler in Zecherin warten auf den großen Fang. (Foto: Foto: ddp)

Überraschenderweise sitzen dennoch zu fast jeder Tages- und Regenzeit Angler am Ufer. Sie campieren auf Holzkisten und werfen ihre Haken ins Wasser. Ob sie dem Weiher tatsächlich essbaren Fisch entlocken oder nur so dahocken und in den Himmel starren, war bisher ihr Geheimnis. Künftig müssen sie - vielleicht - Auskunft darüber geben.

Geht es nach der Europäischen Kommission, ist mit dem simplen Vor-sich-hin-Angeln bald Schluss. Die Brüsseler Behörde plant nämlich, ein Fangregister einzuführen, das auch für Hobbyfischer gelten soll. Jeder Angler, der irgendwo in der Europäischen Union zum Fischen an einen Teich, Fluss oder See geht, soll danach künftig zum Amt laufen und seinen Fang registrieren lassen. Wie viel Kilogramm Rotfeder waren heute am Haken? Oder wie viele Karpfen? Wie groß waren sie, wie lang? Groß genug, um rechtmäßig im Kochtopf zu landen?

Am Dienstag dieser Woche beraten die europäischen Agrarminister über eine solche gemeinsame große Datenbank. Es könne ja nicht mehr angehen, dass jeder Fischer mache, was er wolle, und die Europäische Kommission überhaupt keinen Überblick über die Fischbestände in ihrem Regierungsgebiet habe, sagt ein Brüsseler Beamter einigermaßen empört. Und mit der Registrierung soll es nicht getan sein. Wer gegen die Fischereiregeln verstoße, werde möglicherweise mit Punkten bestraft. Droht neben der Flensburger Verkehrssünderkartei nun das EU-Hobbyanglerstrafpunktesystem?

Ob sich unter den europäischen Agrarministern eine Mehrheit für das Ansinnen finden wird, ist offen. Deutschland will seinen Anglern offensichtlich die gewohnten Freiheiten lassen. Hohen EU-Diplomaten zufolge reisen die Unterhändler der Bundesregierung zu den Beratungen mit dem Auftrag an, "eher mit Nein" zu stimmen. Aber wer weiß schon vorab, an welche Weisungen die anderen europäischen Kollegen gebunden sind?

Zur Ehrenrettung der europäischen Gremien muss allerdings noch angemerkt werden, dass die absurde Idee des Fangregisters für Hobbyfischer nebst Strafpunktesystem dem jahrelangen, beinahe vergeblichen Mühen um eine gemeinsame europäische Fischereipolitik entsprungen ist. Die Union betreibt die weltweit drittgrößte Fischwirtschaft. Die Mitgliedstaaten haben sich zwar auf Regeln geeinigt, wer in welchen Gewässern zu welcher Zeit welche Bestände fischen darf und eine Fischereiaufsichtsagentur gegründet, was besonders für die Hochseefischerei wichtig ist.

Offensichtlich reicht das aber nicht aus, um die Gewässer vor Überfischung zu schützen und Übeltäter ausfindig zu machen. Und so verfielen die Beamten auf die Idee der gigantischen Datenbank. Ihr Kalkül: Wenn jeder Hochseefischer, jeder Binnenfischer und jeder Hobby-Angler seinen Fang registrieren lassen muss, können die Beamten viel besser kontrollieren, ob die Fischereiregeln europaweit eingehalten werden.

Die Agrarminister sollen nun an diesem Dienstag "eine politische Einigung über die Kontrollverordnung in der gemeinsamen Fischereipolitik herbeiführen", sagt ein hoher EU-Beamter. Die "Anwendungsbereiche" müssten abgestimmt werden, fügt er hinzu. Die Hobby-Angler dürfen also noch hoffen.

© SZ vom 19.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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