EU-Haushalt:Nicht mit uns

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Die Deutschen erscheinen plötzlich ungewohnt großzügig. Kleine Staaten befürchten, dass es nun teuer für sie werden könnte.

Von Alexander Mühlauer

So mancher in Europa reibt sich jetzt die Augen. Die Niederländer etwa, die Österreicher, die Skandinavier und all jene, die in Zeiten der Euro-Krise fest an der Seite Deutschlands standen. Konnten sie doch stets sicher sein, dass Berlin die teuren Begehrlichkeiten aus Brüssel und Südeuropa abwehrte. Doch damit scheint nun Schluss zu sein. Die kleineren EU-Staaten können sich nicht mehr hinter Wolfgang Schäuble verstecken. Angela Merkel und Martin Schulz haben in ihrem Sondierungspapier entscheidende rote Linien, die der frühere Bundesfinanzminister gezogen hat, weggewischt. Sollte es in Berlin tatsächlich zu einer großen Koalition kommen, wäre das ein Bruch, der die Machtseilschaften in Europa fundamental verändern könnte.

Die Koalition in den Niederlanden hat etwas anderes vereinbart

Wenn es ums Geld geht, gibt es, neben den Osteuropäern, vereinfacht gesagt zwei Interessensgemeinschaften in Europa: den "Club Med", also die Staaten rund um das Mittelmeer, und den "Club Net" der Nettozahler. Wobei die Zugehörigkeiten, was etwa Frankreich und Italien angeht, je nach Thema variieren. So sind Paris und Rom in der Debatte um den EU-Haushalt klar auf der Seite der Nettozahler. In der Frage, ob die Euro-Zone zu einer Transferunion ausgebaut werden soll, fühlen sie sich hingegen den südeuropäischen Partnern verpflichtet, die genau das wollen. Insofern ist es wichtig, zwischen dem bestehenden EU-Haushalt und einem möglichen neuen Extra-Budget für die Euro-Zone zu unterscheiden (das nach dem Willen der EU-Kommission auch Teil des Gesamthaushalts werden könnte).

Die Debatte über den nächsten siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen nimmt gerade an Fahrt auf. Ende Februar werden die Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen über Zeitplan und Methode beraten. Die erklärte Bereitschaft der Sondierer von CDU, CSU und SPD, mehr Geld für den EU-Haushalt bereitzustellen, stößt bereits jetzt auf Widerstand. Besonders in Stockholm, Kopenhagen und Wien reagiert man auf das Berliner Bekenntnis mit Kopfschütteln. Mehr Geld für Brüssel? Das sei den Bürgern nicht vermittelbar, heißt es dort. Denn warum sollten die EU-Staaten ausgerechnet jetzt mehr in die Gemeinschaftskasse stecken, wenn doch mit Großbritannien ein Land ihre Gemeinschaft verlässt?

Noch mehr Unverständnis ruft eine weitere Passage im Sondierungspapier hervor, die es in sich hat. Von einem "künftigen Investivhaushalt für die Euro-Zone" und von "spezifischen Haushaltsmitteln für wirtschaftliche Stabilisierung und soziale Konvergenz" ist da die Rede. "Das bedeutet nichts anderes als den Einstieg in eine immerwährende Transferunion", sagt ein EU-Diplomat, der nördlich der Alpen zu Hause ist. Im Koalitionsvertrag der niederländischen Regierung steht in etwa das Gegenteil. Den Haag lehnt einen Mechanismus ab, um wirtschaftliche Erschütterungen in einem Euro-Staat abzufedern. Auch die gemeinsame Finanzierung von Schulden in der EU ist klar ausgeschlossen. Diese Formulierungen aus den Niederlanden hatte FDP-Chef Christian Lindner in den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition vorgeschlagen. In Den Haag, Wien und anderswo registriert man nun mit gewisser Sorge eine "neue deutsche Großzügigkeit", die Europa noch sehr teuer kommen könnte.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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