EU-Flüchtlingspolitik:Gegenwind von Osten

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Helfer retten eine syrische Familie auf der griechischen Insel Lesbos aus einem Flüchtlingsboot. (Foto: Louisa Gouliamaki/AFP)
  • Am Donnerstag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU, um über die Verteilung von Flüchtlingen auf Europa zu beraten.
  • Widerstand gegen die "Umsiedlung von 40 000 Personen aus Italien und Griechenland, die klar zeitweiligen Schutzes bedürfen" kommt vor allem aus Osteuropa.
  • Die Slowakei, Tschechien und Polen etwa wollen Flüchtlinge nur auf freiwilliger Basis aufnehmen.
  • Ginge es nach der Quote, müsste Tschechien 1328, die Slowakei 784 Flüchtlinge aufnehmen.

Von Daniel Brössler und Alexander Mühlauer, Brüssel

Die Zahl steht. 40 000 Flüchtlinge sollen auf die ganze Europäische Union verteilt werden, um Italien und Griechenland zu entlasten. So hat es die EU-Kommission im Mai vorgeschlagen und so sollen es die Staats- und Regierungschefs beschließen, wenn sie an diesem Donnerstag in Brüssel zu ihrem Gipfeltreffen zusammenkommen. Das jedenfalls sieht ein der S üddeutscher Zeitung vorliegender Entwurf der Gipfelbeschlüsse vor.

In diesem ist ausdrücklich die Rede von der "Umsiedlung von 40 000 Personen aus Italien und Griechenland, die klar zeitweiligen Schutzes bedürfen". Indes: Zumindest bis Dienstag herrschte über die Formulierung alles andere als Einigkeit. Beim Treffen der Europaminister in Luxemburg stellten die Mittelosteuropäer klar, dass sie an ihrem Widerstand festhalten. Eine verpflichtende Quote - berechnet nach Faktoren wie Größe und Wirtschaftskraft - lehnen sie kategorisch ab. Großbritannien, Irland und Dänemark machen ohnehin von ihrem Sonderrecht Gebrauch, sich an dieser Politik nicht zu beteiligen.

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So steht für die EU in dieser Woche nicht nur in der Euro-Krise ihre Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit auf dem Spiel. Auch in der Reaktion auf die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer muss sie zeigen, dass sie zu einer gemeinsamen längerfristigen Antwort in der Lage ist. Bei einem Sondergipfel im April hatte es die Verständigung auf eine sofortige Verstärkung der Seenotrettung sowie den Auftrag gegeben, eine Mission gegen die Schleuserbanden vorzubereiten. Diese Mission namens Eunavfor Med haben die Außenminister am Montag gestartet, allerdings zunächst nur mit der Genehmigung für Aufklärungsaktivitäten.

"Wir brauchen mehr Solidarität. Wir brauchen mehr Humanität"

Bekannt hatten sich die Staats- und Regierungschefs bei dem Sondergipfel zu deutlich mehr: der Stärkung der "inneren Solidarität und Verantwortlichkeit". Letztlich geht es um eine gerechtere Verteilung der Lasten in der Flüchtlingskrise. Grundsätzlich gilt nach der Dublin-III-Verordnung in der EU jener Staat für ein Asylverfahren für zuständig, der die Einreise nicht verhindert hat - was in der Konsequenz hieße, Italien und Griechenland mit dem Mittelmeerdrama alleinzulassen. Das ist nicht nur aus Sicht der EU-Kommission, sondern auch zahlreicher Mitgliedstaaten inakzeptabel. "Wir brauchen mehr Solidarität. Wir brauchen mehr Humanität", forderte am Dienstag in Luxemburg der deutsche Staatsminister Michael Roth. "Wir sind sehr, sehr offen dafür, einen Solidaritätsmechanismus zu entwickeln, der alle Mitgliedstaaten verpflichtet, mehr zu tun als bislang", betonte er.

Im Osten der EU stoßen solche Appelle freilich auf taube Ohren. Als "erstes großes Risiko", das vom Vorschlag der EU-Kommission ausgehe, bezeichnete der slowakische Ministerpräsident Robert Fico jüngst, "dass Menschen nicht nur auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben nach Europa strömen, sondern um Terror zu verbreiten". Jedenfalls unterschieden sie sich durch Kultur und Religion von den Menschen in der Slowakei.

In Tschechien und der Slowakei geht es um 1328 und 784 Flüchtlinge

Im tschechischen Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka hat Fico einen Verbündeten. "Je mehr Zeit wir auf die Diskussion über Quoten verschwenden, desto mehr Zeit verlieren wir für Lösungen, die wirklich helfen, die Flüchtlingskrise zu beenden", mahnte er kürzlich nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister David Cameron. Zu solchen Maßnahmen zählt Sobotka etwa die Errichtung von Aufnahmezentren in Afrika.

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Wozu die tschechische und andere Regierungen der Region allenfalls Bereitschaft signalisieren, ist die "freiwillige" Aufnahme von Flüchtlingen. Signale in diese Richtung hatten den deutschen Innenminister Thomas de Maizière jüngst bei einem Treffen mit den EU-Ressortkollegen in Luxemburg zu vorsichtigem Optimismus veranlasst. Es gebe "eine gemeinsame Überzeugung, dass wir bald eine gemeinsame Lösung brauchen". Diese könnte darin bestehen, dass die Gegner einer Quote "freiwillig" in etwa so viele Flüchtlinge aufnehmen wie ihnen der Vorschlag der Kommission zugewiesen hätte.

Im Falle Tschechiens wären das 1328. Die Slowakei müsste 784 Flüchtlinge aufnehmen.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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