Erbschaftsteuer:Putschrichter

Die Verfassungsrichter schreiben vielleicht selbst ein Gesetz.

Von Heribert Prantl

Das Bundesverfassungsgericht ist ein Kann-alles-Gericht. Das heißt: Es ist ein Gericht, das, dem Buchstaben des Gesetzes nach, fast alles darf und fast alles kann. Es darf auch ganz legal putschen. Der Putsch heißt dann nicht Putsch, sondern Urteil: Ein Gesetz wird verworfen. Das ist ganz recht so, und es ist zugleich Politik. Aber weil das Gericht wirklich fast alles darf, kann es sogar selber ein Gesetz schreiben, wenn der Gesetzgeber das nicht hinkriegt. Genau das droht Karlsruhe soeben der Politik in Sachen Erbschaftsteuer an.

Das Gericht hatte dem Gesetzgeber 2014 per Urteil eine Frist für ein neues Gesetz gesetzt; die Frist wurde nicht eingehalten. Daher stellt das Gericht in Aussicht, dass es sein damaliges Urteil einfach fortschreibt und noch nachträglich ein gesetzesvertretendes Übergangsrecht formuliert, per Vollstreckungsanordnung. Hätten die Richter das nicht schon 2014 im Urteil machen müssen, um dem Gesetzgeber so zu zeigen, was da gegebenenfalls auf ihn zukommt? Nein, sagt das Kann-alles-Gericht: Wir können das noch nachträglich so regeln. Wer könnte das verhindern? Allenfalls das Verfassungsgericht. Aber das sind die ja selber.

Das Gericht wird das Politikmachen nicht übertreiben. Es knallt mit der Peitsche. Aber interessant wäre es schon zu wissen, ob der Peitschenknaller die Kunststücke, die er dem Pferd abverlangt, auch selber kann.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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