Entführte Deutsche in Kolumbien:Globetrotter als Faustpfand

Lesezeit: 3 min

Urlaubende Rentner, sagt das Auswärtige Amt. Ausländische Spione, sagen die marxistischen Rebellen: Seit Wochen sollen zwei deutsche Rentner in Kolumbien in der Gewalt der ELN-Rebellentruppe sein. Mit der Entführung könnte die Gruppe ihre Beteiligung an Friedensgesprächen der Regierung mit der Farc erzwingen wollen.

Von Peter Burghardt und Stefan Salger

An einem bewölkten Tag in Kolumbien sitzen da also die beiden Deutschen, die inzwischen von Guerilleros verschleppt worden sind. Ein Video zeigt Uwe und Günther B., wie sie ihren grünen Geländewagen an einem Waldstück im Zentrum des südamerikanischen Landes geparkt haben und Picknick machen. Sie wirken entspannt, zwei ältere Männer in Campingstühlen. Der kolumbianischen Zeitschrift Semana wurde das Video zugespielt, es soll vom Ende vergangenen Jahres stammen.

Am Wochenende gab die marxistische Rebellentruppe ELN (Ejército de Liberación Nacional) bekannt, sie habe die beiden Deutschen seit Wochen im nordöstlichen Catatumbo in ihrer Gewalt. Die Kidnapper behaupten in einem Kommuniqué, die Gefangenen hätten ihre Anwesenheit in dieser Gegend nicht erklären können und würden als Spione betrachtet. Das Auswärtige Amt in Berlin sagt, es seien urlaubende Rentner, und so sieht es auf der Video-Aufnahme auch aus.

"Eine Runde in Venezuela drehen"

Die Brüder schildern in dem Handyfilmchen ihre Weltreise im alten Toyota. Das Kennzeichen beginnt mit dem Kürzel FFB, das steht für Fürstenfeldbruck. Einer der beiden spricht leidlich Spanisch und schwärmt von dem Trip. Die Odyssee habe sie bis nach Australien geführt, durch Iran, Irak, Tibet und so weiter, die Ziele sind auf einem beklebten Fenster vermerkt. Von Brisbane ging es mit dem Schiff nach Valparaiso in Chile, dann die Carretera Austral hinab Richtung Feuerland, später hinauf nach Kolumbien. Man habe Papiere für das Auto, betont der Erzähler. "Deutsche brauchen kein Visum in Lateinamerika, no problema." Sie wollten über Panama nach Zentralamerika. Und vorher "eine Runde in Venezuela drehen".

Uwe B., der nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus Gröbenzell bei München stammt, hatte mit seiner Frau regelmäßige Zeiten ausgemacht, zu denen er sich melden wollte. Als er einen Termin vor Jahreswechsel versäumte, gab sie eine Vermisstenanzeige auf. Die kolumbianischen Grenzbehörden haben laut der Zeitung El Tiempo registriert, dass die Globetrotter am 28. Oktober vergangenen Jahres in dem Weiler Arauca in die venezolanische Nachbarschaft ausgereist und anderntags wieder nach Kolumbien zurückgekehrt waren. Das ganze Grenzgebiet ist voller Aufständischer und Paramilitärs, die Region gilt als weitgehend staatenloses Paradies für Schmuggler. Womöglich waren die Bayern nur zum Tanken auf der anderen Seite, venezolanisches Benzin ist billiger als Mineralwasser. In die Fänge der ELN scheinen sie erst drei Monate später und weiter nördlich geraten zu sein. Das Auswärtige Amt rät von Besuchen dieser Konfliktgebiete ausdrücklich ab.

Pensionäre als politisches Druckmittel

Kolumbien ist an sich ein schönes Land mit vornehmlich netten Menschen und einer stetig wachsenden Wirtschaft, aber seit vier Jahrzehnten tobt vor allem in abgelegenen Gegenden ein Bürgerkrieg. Gekämpft wird um Boden, Drogen, Ölpalmen, Kohle, Smaragde. Zehntausende Kolumbianer starben bei den Gefechten zwischen Armee, linker Guerilla und rechten Todesschwadronen. Zwar haben die Streitkräfte mit US-Hilfe die größere Rebellengruppe Farc und die kleinere ELN geschwächt, derweil paramilitärische Schlächter und Dealer an Stärke zulegten.

Präsident Juan Manuel Santos setzt jetzt auf Friedensgespräche mit den Farc, in Havanna wird getagt. Nun sieht es so aus, als wolle die kleinere ELN mit der Entführung von Ausländern auf sich aufmerksam machen. Auch diese Gruppe will mit der Regierung Santos sprechen. Die bayerischen Pensionäre könnten in ein politisches Manöver geraten sein.

Seit Beginn der Gespräche sind die einst massenhaften Entführungen zurückgegangen. Diplomaten schätzen die Aussichten auf einen Verhandlungserfolg auf Kuba gut ein, obwohl die Schlacht in Kolumbien weiter geht. Vor den Gebrüdern B. hatte die ELN am 18. Januar bereits fünf Minenarbeiter gekidnappt. Deutsche waren zuletzt vor mehr als zehn Jahren Faustpfand der ELN gewesen. Ende 1998 musste der Münchner Zahnarzt Ottmar B. sechs Wochen bei der Bande verbringen, auch er war mit einem Jeep durch Kolumbien gefahren. Ende 2002 wurde eine Gruppe von Bergwanderern in der Sierra Nevada de Santa Marta von der ELN gefangenen genommen, darunter die Deutsche Reinhilt W., die nach zehn Wochen freikam.

Militäreinsatz wohl zu gefährlich

Bei den Farc wiederum landete 2001 der schwäbische Hotelier Lothar H., der bei Bogotá eine Pension geführt hatte und erst fünf Jahre danach aus dem Dschungel heimkehren durfte. Für manche Opfer hat das Drama finanzielle Folgen, denn es geht nicht selten um Lösegeld. Obendrein müssen die Befreiten unter Umständen für die Kosten von Verhandlung und Rückführung aufkommen, falls sie in einem ausgewiesenen Risikogebiet waren.

Deutschland hat unterdessen einen Krisenstab eingerichtet, Kolumbien eine Vermittlungskommission. Präsident Santos forderte die ELN auf, die Geiseln dem Roten Kreuz zu übergeben. Von einer Befreiungsaktion will er absehen, ein Militäreinsatz wäre für die Betroffenen gefährlich.

© SZ vom 08.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: