Eishockey-WM:Heimspiel für Exoten

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Experten loben Alex Lambacher als eines der größten Talente in Deutschland. Bei der WM spielt er allerdings für Italien. (Foto: imago/HochZwei)

Die Deutsche Eishockey Liga ist zu einer begehrten Adresse für internationale Profis geworden, die auch bei der WM in Paris und Köln antreten - Medaillenchancen haben sie eher nicht.

Von Johannes Schnitzler, Köln

Als Pat Cortina noch Bundestrainer war, machten sich Kritiker des Italokanadiers einen Spaß daraus, vor großen Eishockey-Turnieren die Zahl der Absagen von Nationalspielern zu zählen. 2015 vor der WM in Prag, Cortinas letzter Mission als Chefcoach, waren es 25 - ein kompletter Kader. Unter Marco Sturm hat sich die Einstellung geändert. Sogar die Profis aus der nordamerikanischen NHL packen sofort ihre Taschen, wenn Sturm sie ruft.

Bad Tölz oder Belfast? Tilburg gewinnt die Oberliga, die Niederlande steigen ab

"Marco war als Spieler ein Vorbild für mich und er ist noch immer eine Respektsperson", sagt Dennis Seidenberg. Der Stanley-Cup-Sieger, mit 35 nur drei Jahre jünger als sein Trainer, setzte sich mit dem Teamkollegen Thomas Greiss sofort in den Flieger, als klar war, dass ihre New York Islanders die Playoffs verpassten. Seidenberg spielt erstmals seit 2008 wieder bei einer WM. Die Frage ist auch nicht, ob Leon Draisaitl (Edmonton) oder Korbinian Holzer (Anaheim) zur WM in Köln nachreisen, sondern nur: wann. Beide duellieren sich noch im NHL-Viertelfinale, der Verlierer nimmt dann das Flugzeug nach Köln-Bonn. "Wenn ihr Deutschen fünfzig Absagen habt, dann habt ihr immer noch fünfzig gute Spieler", sagt Bohuslav Subr, Trainer der Tilburg Trappers. Der 15-malige Meisterklub aus den Niederlanden spielt seit 2015 mit einer Ausnahmegenehmigung in der dritten deutschen Liga und hat gerade zum zweiten Mal nacheinander den Titel gewonnen, im Finale gegen die Tölzer Löwen. Die niederländische Nationalmannschaft musste bei der B-WM in Belfast in dieser Phase auf die Spieler der Trappers verzichten. Aufsteiger Niederlande stieg sofort wieder ab, unter anderem setzte es ein 0:14 gegen Großbritannien.

Nun ist es nicht ganz so, wie Subr sagt, dass Marco Sturm quasi unbegrenzt international konkurrenzfähige Spieler aus der Deutschen Eishockey Liga (DEL) schöpfen könnte. Im Gegenteil. Man werde noch büßen, "was in den letzten zehn, 15 Jahren versäumt wurde", prophezeit Sturm. Umso erstaunlicher ist es, wie viele Akteure, die an deutschen Eishockey-Standorten ihr Geld verdienen, sich auf die 15 anderen Weltmeisterschafts-Kader verteilen. Weniger überraschend ist, dass sie für Außenseiter spielen. Aber auch für diese Exoten ist es eine Art Heim-WM.

Für den Dänen Mads Christensen vom EHC München etwa gehört das Turnier der 16 besten Nationen längst so selbstverständlich zum Frühling wie das Stemmen von großen Pokalen: Der 30-jährige Eishockeyprofi, der bereits neun nationale Meistertitel gewonnen hat, bestreitet seine neunte Weltmeisterschaft. 2016 feierte die dänische Mannschaft mit Platz acht ihren bislang größten Erfolg. Aus der DEL sind außerdem Charles Linglet (zuletzt Eisbären Berlin) für Weißrussland und Thomas Larkin (Mannheim) für Italien in Köln und Paris aktiv. Torwart Florian Hardy (Frankreich) sowie die norwegischen Brüder Ken Andre und Mathis Olimb haben ebenso DEL-Erfahrung wie der Slowene Jan Urbas, ehemals München, der zur kommenden Saison nach Bremerhaven wechselt, und sein Landsmann Ales Kranjc, ehemals Köln, der zuletzt für Bad Nauheim in der DEL 2 spielte. Dort steht auch ihr Teamkollege Nik Pem, 21, unter Vertrag, bei den Heilbronner Falken.

Den weitesten Weg an die internationale Spitze hat Alex Lambacher hinter sich. Der 20-Jährige, der aus der Organisation der Adler Mannheim kommt, ging in dieser Saison für Kassel in der DEL 2 aufs Eis, ehe er an die Hannover Indians in die dritte Liga verliehen wurde. Hannover scheiterte im Oberliga-Halbfinale an den Tölz Löwen. "Alex zählt zu den besten Nachwuchsspielern in Deutschland", sagt Mannheims Sportmanager Teal Fowler. Allerdings spielt Lambacher bei der WM nicht für Deutschland. Sondern für Aufsteiger Italien.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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