Einsatz in Afrika:Unsere Männer in Kinshasa

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Die ersten deutschen Soldaten sind im Kongo gelandet: Mit welch zwiespältigen Gefühlen ein Vorauskommando der Bundeswehr das Wagnis eingeht, in dem afrikanischen Land für Demokratie zu sorgen.

Stefan Klein

Es ist der erste Samstag im Juli, und vermutlich kann man ihn schöner verbringen als im Staub und Dreck eines erst halbfertigen Militärlagers. Mitten in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa sind grüne Metallkisten auszupacken - eine nach der anderen, Dutzende.

Anhänger des Präsidenten Kabilas in Kinshasa. (Foto: Foto: AFP)

Daheim an der deutschen Nordseeküste könnte man stattdessen einen Ausflug ans Meer machen, mit der Familie. Aber Job ist Job, und der Feldwebel und Rettungsassistent Andreas Schmidt (Name geändert) muss den seinen derzeit im Kongo verrichten.

In einem alten Hangar auf dem Gelände eines Flugfelds ist ein Rettungszentrum aufzubauen, eine Art Feldlazarett. Vier Zelte stehen schon, die Ambulanz ist fertig eingerichtet, und heute nun soll aus dem Nachbarzelt ein richtiger Operationssaal werden, mit allem, was dazu gehört, vom Hauttransplantationsgerät bis zur Venenverweilkanüle. Ist aber alles noch in den grünen Kisten.

Draußen sengt die Sonne, im Hangar staut sich die Hitze, aber Schmidt und seine zwei Kameraden machen ihre Arbeit so gewissenhaft wie immer. Deutscher Standard, sagen sie.

Gruppenbild mit Därmen

Knapp drei Wochen zuvor, in Ostfriesland, ist alles noch ein bisschen anders. Nicht der Standard, auch nicht das Wetter. Das ist an diesem Tag dem von Kinshasa durchaus ähnlich.

Eine ziemliche Hitze liegt über dem Platz, der eigentlich ein Sportplatz ist. Auf dem Gelände der Von-Lettow-Vorbeck-Kaserne in Leer aber nennen sie ihn Antreteplatz, und angetreten sind sie, die Angehörigen des Kommandos Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst Ostfriesland, in Reih und Glied, wie es sich gehört, als der Besucher aus Berlin vor sie hin tritt. Er redet von Demokratie, von Frieden und dass es darum gehe, in der Demokratischen Republik Kongo eine stabile Entwicklung einzuleiten.

Demokratische Republik Kongo - die drei Worte hallen irgendwie schief über den Kasernenplatz. Wäre der Kongo demokratisch, müsste der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung an diesem Tag nicht achtzig Soldaten der zweiten Kompanie verabschieden, die vor einem Einsatz in eben diesem Land stehen.

Feldwebel Andreas Schmidt steht mit den 79 anderen Afrikareisenden vom Minister aus gesehen links. Das Kommando "Rührt Euch" hat noch keiner gebrüllt, und als der Minister fertig ist mit seiner Ansprache an die "lieben Soldatinnen und Soldaten", da gilt es erst einmal, diesen zu begleiten in eines der Rettungszelte, die eigens für den Besuch aufgebaut wurden, und zwar so realistisch, dass man unwillkürlich zurückzuckt.

Auf dem Operationstisch, unter dem grünen Operationstuch, liegt einer. Zwar ist das blutige Gedärm, das aus einer Öffnung des Tuches quillt, aus Kunststoff, aber das Ganze wirkt so erschreckend echt, dass einer aus der Entourage des Ministers entsetzt aufstöhnt, als der sich von den Fotografen arglos hinter den OP-Tisch lotsen lässt. Gruppenbild mit Politiker und Därmen, den Kongoeinsatz der Bundeswehr wird es kaum populärer machen.

Irgendwo im Ungewissen

Inzwischen hat sich der Soldat Schmidt gerührt. Er steht draußen vor dem Zelt und lässt sich gerne ansprechen. Er ist ein freundlicher, gelassen wirkender Mann, und wenn da ein bisschen Anspannung sein sollte wegen der bevorstehenden Mission ins zentrale Afrika, dann lässt er sie sich nicht anmerken. Aber vielleicht ist er ja tatsächlich so ruhig wie es scheint, schließlich ist dies bereits sein sechster Bundeswehreinsatz im Ausland.

Als Schmidt 1980 zur Bundeswehr ging, war die Welt noch eine andere. Sie war geteilt in zwei feindliche, einander belauernde Blöcke, die Bundeswehr stand festgemauert und starrte nach Osten, und dass sie die Freiheit in nicht allzu ferner Zukunft am Hindukusch oder am Kongo verteidigen würde, war noch kein Gedanke. 1990 wurde Schmidt Berufssoldat, und genau da begann sich die Welt zu ändern. Bald ging er auf Reisen - zuerst nach Somalia, und damit sei er dann "so reingerutscht".

Es folgten Bosnien, Mazedonien, der Kosovo. Weihnachten 2004 wäre er auch beim Tsunami-Einsatz seiner Einheit in Indonesien dabei gewesen, wenn er sich nicht kurz vorher beim Aufstellen des Weihnachtsbaums das Kreuz verrenkt hätte.

Ein bisschen Gewöhnung also, nur dass es für die Familie nach wie vor schwer ist, wenn der Vater irgendwo im Ungewissen ist. Schmidt hat eine Tochter, sie geht noch zur Schule, und natürlich sah sie fern an jenem 11. September 2001, als in New York zwei hohe Häuser in sich zusammenkrachten. Ihr Vater war zu der Zeit in einer gefährlichen Mission auf dem Balkan, und auch wenn es da keinen Zusammenhang gab - die Angst des Mädchens kann man sich vorstellen.

Und nun also der Kongo. Kann das nicht mal ein anderer machen?, fragten sie daheim. Schmidt sagt, es werde zu so einem Einsatz keiner gegen seinen Willen gezwungen. Aber sich zu weigern sei nicht seine Art. Es ist ja sein Beruf.

Ein Gütesiegel für den Diktator

Nicht, dass er sich nicht die Fragen gestellt hätte, wie sie auch im Bundestag laut geworden sind. Zum Beispiel, wie ein europäischer Trupp von 800 Mann in einem Riesenland wie dem Kongo die für den 30. Juli geplanten ersten demokratischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen absichern soll. Oder ob das Ganze nicht darauf hinausläuft, einem Diktator oder Kriegsherrn ein demokratisches Gütesiegel zu verpassen.

Truppen der Vereinten Nationen in Kongos Hauptstadt Kinshasa (Foto: Foto: Reuters)

Trotzdem: Weigern ist nicht Schmidts Art, er sagt: "Das gibts bei uns nicht." Und ein Kreuz verrenkt sich nicht alle Tage.

Zu einem richtigen Gespräch reicht die Zeit nicht in der Kaserne, aber manchmal hat man Glück, und dann steht man plötzlich ein paar tausend Kilometer weiter südlich in Kinshasa vor einem Mann im grün gescheckten Kampfanzug mit dem schwarzen, dem roten und dem goldenen Streifen auf dem Oberarm und denkt: Den kennst du doch! Es ist der 23. Juni, und die Bundeswehr ist zu diesem Zeitpunkt erst mit einem kleinen Vorauskommando von etwa zwanzig Personen in Kinshasa vertreten.

Es sind dies die Spezialisten, die man braucht, um überhaupt erst einmal Fuß zu fassen im fremden Land - die Logistiker, die Pioniere, die Kommunikationsexperten. Die Techniker, die wissen, wie man einen Hubschrauber nach der Verlegung wieder flugtauglich macht.

Die Verbindungsoffiziere, die den Kontakt herstellen zu den anderen Europäern in der multinationalen, "Eufor" genannten Truppe. Und natürlich die Sanitäter. Zwar drohen noch keine gefährlichen Einsätze, aber es könnte sich ja beim Ausladen und Einräumen einer verletzen. Deshalb ist auch vom Sanitätsdienst ein kleines Vorauskommando gekommen. Mit Andreas Schmidt. Dem Mann aus Ostfriesland.

Er war froh, als die Wartezeit vorbei war. Zwischen Ministerbesuch und Abreise hatte Schmidt Urlaub, aber wie soll die Familie das genießen, wenn sie merkt, dass da einer mit den Gedanken schon ganz woanders ist? Schmidt bosselte am Haus herum, aber er war nicht bei der Sache.

Jeden Morgen spuckte das Internet aus, was sich über Nacht an Berichten über den Kongo angesammelt hatte. Auch seine Frau informierte sich, sie wollte alles wissen über das Einsatzgebiet ihres Mannes. Aber geredet wurde wenig. Mutter und Tochter fassten den Mann im Haus mit Samthandschuhen an, und das war das deutlichste Zeichen, dass etwas anders war als sonst. "Unnatürlich" fand es Schmidt.

Ein Stück Heimat im Gepäck

Die Vorbereitung selbst lief glatt. Schmidts Einheit ist ja für solche Einsätze ausgebildet. Sie muss jederzeit in der Lage sein, binnen 72 Stunden fertig gepackt am Flughafen zu stehen, und geimpft ist man sowieso. Gegen alles, was einem so widerfahren kann in der Fremde.

Und das andere, das sich mit einem Serum nicht abwehren lässt? Schmidt und Kameraden bekamen einen Kurzlehrgang zu dem Thema, wie man sich in Geiselhaft verhält. Sie hörten Vorträge über Kindersoldaten. Zur Ernährung musste ihnen keiner mehr was sagen. "Koch es, schäl es oder vergiss" es, den Merkspruch kennen sie auswendig.

Am Ende waren ein Rucksack gepackt, zwanzig Kilo, und eine Kiste, 43 Kilo. Der Kongo ist ein heißes Land, und entsprechend die Ausrüstung: Schmidts Kampfanzug ist aus dünnem, luftigem Material, und damit die gemeine Stechmücke auch weiß, dass sie da nichts verloren hat, ist er eigens mit einem Insektenschutzmittel beschichtet.

Hinzu kommen leichte, luftdurchlässige Stiefel und Spezialunterwäsche, die zwar das Schwitzen nicht verhindert, aber angeblich das Stinken. Ein Tropenhut ist dabei, ein Moskitonetz, Malariatabletten und eine kugelsichere Weste.

Aber Schmidt hatte, wie er das nennt, auch "ein Stück Heimat" im Gepäck, wie stets, wenn er für die Bundeswehr auf Reisen geht. Das ist die Bettwäsche, die ihm seine Frau aussucht. Bettwäsche von daheim. "Brauchste auch nicht wieder zurückbringen", sagte sie, als sie ihm die Tücher gab. Sie sagt das immer. Der Abschied war, wie Abschiede sind: schwer. Es gab Tränen, und dann stand da eine Antonow auf dem Rollfeld in Köln, und Schmidt stieg ein.

Pizza am Abend

Der Bundeswehr fehlt es an Transportmaschinen, und deshalb hat man für diese Mission eine Anleihe in der Ukraine gemacht. Antonows sind für den Transport von Material gedacht, für einen Passagier ist es dort eher ungemütlich. Schmidt sagt, er sei schon komfortabler geflogen. Aber das ist an diesem 23. Juni nurmehr Erinnerung: Schmidt ist da, er ist im Kongo, und er muss gleich ran. Material ist auszuladen, Paletten sind zu schleppen, es ist heiß, und am ersten Abend ist er so müde, dass es gerade noch für eine Pizza reicht.

Kongos Polizei greift bei Demonstrationen in der Hauptstadt hart durch. (Foto: Foto: Reuters)

Schmidt schläft wie die anderen Kameraden vom Vorauskommando im Hotel, weil das Lager N'dolo noch nicht fertig ist, aber tagsüber ist er dort, um das Rettungszentrum aufzubauen. Ndolo ist ein verwahrloster Stadtflughafen, halb militärisch, halb zivil, und als ein Eufor-Kommando dort erstmals aufkreuzte, da fand es einen vom Busch zugewucherten Schrottplatz vor.

Ein Schrottplatz als Basis für 800 Soldaten

Mit Bulldozern wurde aufgeräumt, und dann ging man daran, mit kongolesischen Arbeitern das Gelände in eine Basis für 800 europäische Soldaten zu verwandeln, mit eben jenem Rettungszentrum, aber auch mit Wohnzelten, Küche, Speisesaal, Waffenkammern und dem Stabshauptquartier. Da werden, wenn Mitte Juli alles fertig sein wird, der Franzose Christian Damay und sein deutscher Stellvertreter, Admiral Henning Bess, das Sagen haben.

Bess ist schon vor Ort. Der groß gewachsene, bärtige Marineoffizier hat einiges an Auslandseinsätzen hinter sich, fast alle auf Schiffen. Diesmal nun muss er die Landratte geben. Bess spricht Französisch, aber auch sonst, da ist er sicher, wird er sich mit dem französischen General verstehen. Man kennt sich und hat, so Bess, schnell gemerkt, "dass die Chemie stimmt".

Was aber nichts daran ändert, dass es Reibungen gibt zwischen Franzosen und Deutschen, welche die beiden größten Kontingente stellen werden. Erstere betrachten Afrika als ihre Domäne, und sind es gewohnt, Befehle zu geben. Mit einem Partner zu kooperieren, der in dieser Mission, von Potsdam aus, das letzte Wort hat, ist eine neue Erfahrung für sie. Die Sprachprobleme kommen dazu. Franzosen, Polen, Belgier, Spanier und Deutsche verständigen sich mehr mit Händen als mit Worten. Es wird heftig gestikuliert, und am Ende, sagt Schmidt, "stellt man fest, dass es doch nicht der richtige Ansprechpartner war".

Ein Bier auf Lingala

Schmidt spricht kein Französisch, aber er hat ein deutsch-französisches Lexikon mitgenommen, weil er ja auch mal einen Französisch sprechenden Patienten haben könnte. Und wenn er Lingala spricht, die Sprache der Menschen von Kinshasa? Dann müsste er den Oberstleutnant Peter Fuss zu Hilfe rufen. Der hat es sich zur Regel gemacht, sich von seinem kongolesischen Fahrer Simon jeden Tag einen Satz in Lingala beibringen zu lassen.

Das medizinische Vokabular mag noch ein bisschen unterentwickelt sein, aber für eine Bestellung im Lokal reicht es bereits. "Masanga monene moko pona ngai", sagt Fuss, und die Bedienung weiß dann, dass er ein großes Bier haben möchte. Die Kongolesen mögen das, wenn sich einer so um sie bemüht, und vielleicht sind es ja solche Kleinigkeiten, die sich eines Tages noch auszahlen werden.

Es gibt durchaus Skepsis in Kinshasa gegenüber dieser Truppe, von der man nicht so recht weiß, was sie eigentlich hier will. Wirklich nur gemeinsam mit den bereits präsenten 17 000 Blauhelmen der UN die Wahlen sichern oder vielleicht doch die Dinge beeinflussen, zum Beispiel zugunsten des jetzt noch übergangsweise amtierenden Präsidenten Joseph Kabila? Oder sind es wieder mal die Schätze dieses bitterarmen Landes, die gelockt haben, das Gold, die Diamanten?

Solche Fragen stellt man sich auf den Straßen, und wenn dann die Eufor-Soldaten auf ihren Touren zwischen Hotel und Lager vorbeifahren, sehen sie Menschen, die freundlich den Daumen heben, aber auch solche, die in ihre Richtung spucken oder Steine werfen. Aufklärung also ist zu leisten, und die Deutschen leisten sie. Sie halten Pressekonferenzen, und bald wollen sie sich auch über den Rundfunk und mit Hilfe von Broschüren erklären.

Der Ruhetag zum Viertelfinale

Der 30. Juni ist der Unabhängigkeitstag des Kongo, die Opposition in Kinshasa will auf den Straßen Druck machen, es droht das, was man hier "troubles" nennt. Letztlich brennen nur ein paar Autoreifen, aber die Deutschen haben sich vorsichtshalber einen Ruhetag verordnet. Bess sagt: "Man muss die Konfrontation ja nicht suchen."

Die Pause trifft sich gut, denn es ist der Tag des Viertelfinalspiels Deutschland gegen Argentinien, und der Botschafter Reinhard Buchholz hat eine große Leinwand und eine schöne Terrasse, direkt über dem Fluss. Eine ganze Menge Soldaten sind da, es gibt Bier, es gibt Häppchen, und als Lehmann seinen zweiten Elfmeter hält, kann man den Botschafter und den Admiral Bess sehen, wie sie Freudentänze aufführen - und den Feldwebel Schmidt, wie er zum Handy greift. Er hat zwei fußballverrückte Frauen daheim, und irgendwie drängt es ihn, diesen Moment mit ihnen zu teilen.

Schon am ersten Abend hat er zu Hause angerufen, und als er dann seine kongolesische Handynummer hatte, da hat er sie gleich durchgegeben, denn das sei das Wichtigste für seine Familie - "dass sie mich jederzeit erreichen kann".

Schöne Mädchen für die Soldaten

Noch gibt es keine schlechten Nachrichten aus dem Kongo, jedenfalls keine schlechteren als die üblichen, und die größte Gefahr dürften die schönen, aber vermutlich HIV-positiven Mädchen sein, die sich seit der Ankunft der ersten Eufor-Soldaten sehr aufgeschlossen und in beträchtlicher Zahl in deren Hotels zeigen. Aber man ist ja erst am Anfang, und die Dinge können sich durchaus noch zuspitzen.

Ein deutscher Soldat, noch unter dem Eindruck der dicht bevölkerten, kilometerlangen Elendsbehausungen an der Straße zum Flughafen, sagt, er habe kein gutes Gefühl: "Wenn diese Massen hier einmal ins Rollen kommen, dann bremst die keiner mehr."

Schmidt sieht es ähnlich. Letzte Woche war er erstmals mit dem Rettungswagen im Einsatz, nachdem bei einem Überfall ein deutscher Journalist angeschossen worden war. Nachts um drei in Kinshasa, der Fahrer des Rettungswagens fand den Weg nicht, und als er anhielt, um zu fragen, standen da sechs Typen mit Knüppeln in den Händen.

Aber jetzt ist der erste Samstag im Juli, in Kinshasa hängen Wahlplakate, und wer weiß, vielleicht geht ja alles gut. Doch vom Zufall soll es nicht abhängen: Die Zahl der Eufor-Soldaten nimmt nahezu täglich zu, nicht mehr lange, da werden es 800 sein, darunter 280 Deutsche. Die anderen 500 deutschen Soldaten werden in Gabun stationiert sein.

Im Lager Ndolo geht es voran. Am Abend sind im Hangar viele grüne Kisten leer, der OP sieht schon fast wie ein OP aus - bereit, am Montag dem deutschen Verteidigungsminister vorgeführt zu werden, diesmal vermutlich ohne Därme. Für Schmidt ist es bereits das zweite Mal in wenigen Wochen, dass er seinen obersten Chef zu Gesicht bekommt. Für den einen ist es eine kurze Stippvisite, der andere hofft, rechtzeitig zu Weihnachten wieder daheim zu sein. Auf vier Monate ist die Mission angelegt, aber Schmidt sagt: "Ich bin schon mal für dreißig Tage nach Mazedonien geschickt worden, und nach vier Monaten war ich immer noch da."

Obszöne Bilder

Am Samstagabend bleiben er und ein paar deutsche Kameraden zum ersten Mal seit ihrer Ankunft im Lager. In einem kleinen, klimatisierten Nebenraum des Hangars haben sie ihre Feldbetten aufgeschlagen und ihre Moskitonetze darübergehängt. Essen können sie bis auf Weiteres bei den Franzosen, die mit dem Aufbau schon ein bisschen weiter sind.

Schmidt ist froh, dass er "raus ist aus dem Luxushotel. Was er da gesehen hat, die Schönen und die Reichen von Kinshasa, behängt mit Gold und Klunkern, kam ihm irgendwie obszön vor im Vergleich zu dem Elend, das ihm täglich in der Stadt begegnet.

Jetzt also beginnt sie, die Kongomission des Soldaten Schmidt, aber vielleicht wird er sich gegen Ende dieser Woche etwas wehmütig daran erinnern, dass er da eigentlich mit seiner Frau nach Berlin hatte fahren wollen. Er hatte Karten für das WM-Endspiel. Nicht fürs Olympiastadion, aber immerhin für das kleine Stadion, das sie vor dem Reichstag aufgebaut haben.

Drei Tage Berlin. Er hatte sich darauf gefreut. Seine Frau auch. Sie ist noch nie in Berlin gewesen. Aber sie hat, kleiner Trost, immerhin eine kongolesische Telefonnummer.

© SZ vom 3.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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