Dresden:Schotterleben

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Eine Zeltstadt ist zum Negativbeispiel für die deutsche Flüchtlingspolitik geworden. Mediziner und Verbände kritisieren mit deutlichen Worten die Zustände im Dresdner Flüchtlingslager.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Mediziner und Verbände haben am Freitag die humanitären Zustände in einem Zeltlager für Flüchtlinge in Dresden mit deutlichen Worten kritisiert. "Die hygienischen Bedingungen sind unzureichend, es besteht die Gefahr von gefährlichen Durchfallerkrankungen", sagte Gerhard Ehninger vom Dresdner Universitätsklinikum. Angesichts der großen Hitze bedeute es eine zusätzliche Gefahr, dass die Trinkwasserversorgung mangelhaft und die Fläche schattiger Plätze gering sei. Ehninger und Vertreter von Ausländer- und Flüchtlingsverbänden kritisierten zudem die restriktive Informationspolitik der sächsischen Landesregierung, speziell des Sozialministeriums. Die Regierung habe "hier eine große Krise produziert, sie hat sie von anderen verwalten lassen und die Krise dann als alternativlos dargestellt", sagte Ali Moradi, Geschäftsführer des sächsischen Flüchtlingsrates.

Die Notunterkunft an der Bremer Straße in Dresden ist seit Wochen beispielhafter Gegenstand der Diskussion über die Bewältigung von Zuwanderung durch den Freistaat Sachsen. Im ausklingenden Juli hatte die Landesdirektion dort ein Zeltlager errichten lassen, um damit einer offenbar überraschenden Zuweisung von 1100 Geflüchteten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gerecht werden zu können. Vor dem Zeltlager hatte es zunächst teils gewalttätigen und von der NPD organisierten Protest gegen Asyl gegeben, kurz danach erstmals massive Kritik an den sanitären Anlagen sowie der Verpflegung. Das Bündnis "Dresden für alle" zog sich schließlich aus der Reihe der Helfer zurück, weil es die Zustände dort nicht weiter legitimieren wollte.

Die Landesregierung habe Vorschläge ignoriert, sagen Oberbürgermeister und Ärzte

Der Appell der Helfer markiert das Ende einer Woche des Dissens' über die Bedingungen in der Unterkunft. Am Montag besuchte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) das Zeltlager - und lobte den Fortschritt dort. Am Mittwoch luden er und Andrea Fischer, Staatssekretärin im Sozialministerium, zu einem Pressegespräch und lobten den Fortschritt speziell bei der medizinischen Betreuung. Am Donnerstag kritisierte Dresdens amtierender Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) die Landesregierung, die Probleme nur verwalte. Die Art und Weise der Unterbringung von Geflüchteten sei nicht zu akzeptieren: "Wie kann es sein, dass es mitten in Dresden einen Ort gibt, wo Kinder im Schotter spielen müssen?" Hilbert und Ehninger betonten, aus ihren Bereichen seien dem Land jeweils Lösungen angeboten worden - der Freistaat habe diese ignoriert. Das Problem in der Organisation von Asyl sei letztlich die mangelhafte Koordination der Beteiligten, sagte Ehninger am Freitag. Das Netzwerk "Dresden für alle" regte deswegen einen sächsischen Flüchtlingsgipfel an.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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