Dresden:Hinter den Erwartungen

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Pegida-Organisator trifft auf niederländischen Rechtspopulisten: Lutz Bachmann (links) begrüßt in Dresden seinen Gastredner Geert Wilders. (Foto: Robert Michael/AFP)

Rechtspopulist Geert Wilders beschert Pegida in Dresden nicht den erhofften Zulauf. Statt der angekündigten 30 000 kommen nur etwa 10 000 Zuhörer.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Lutz Bachmann trägt an diesem Montag einen Anzug, die Farben sind gedeckt, die Krawatte ist tadellos gebunden. Der Anzug ist dem Anlass angemessen, die Nervosität Bachmanns ist es auch. Er hastet über den kleinen Platz hinter der Bühne, seiner Bühne, Zigarette an, aus, an, aus. Zwischendurch richtet Bachmann seine Tolle, der Wind verwirbelt sie sogleich. Zigarette an. Aus, an. Ein Nervenbündel in Nadelstreifen. Der Grund für Bachmanns Nervosität ist ein Gast aus den Niederlanden, Geert Wilders sein Name. Wenn von Wilders die Rede ist, dann meist im Verbund mit der Wendung "niederländischer Rechtspopulist".

Bachmann hat in Deutschland auch die Grundlage für eine Wendung der Umgangssprache gelegt, er führt die "islamkritische Pegida-Bewegung". Diese gab sich zuletzt immer offener als rechts bis extrem rechts zu erkennen, sie verlor an Zulauf, und dieser Montag ist auch der Versuch von Lutz Bachmann, dem langsam erlöschenden Protest neues Feuer zuzuführen.

Auf der anderen Seite, vor der Bühne brennt ein LED-Lagerfeuer auf der Leinwand. Diese Leinwand ist eine Leihgabe vom "Eventservice Germany" und irgendwie ist Pegida das an diesem Montag einmal mehr im Kleinen, also ein Eventservice Dresden. Menschen sitzen in der Abendsonne auf Klappstühlen, der Tontechniker testet mit einem Eins-Zwei-Hey das Mikro. Die Stimmung? Irgendwo zwischen Festival, Tuningtreffen und Grillparty. Es sind bei Weitem nicht die 30 000 gekommen, die Pegida selbstbewusst angekündigt hatte, aber es sind mehrere Tausend Menschen. Der Polizeisprecher will am Abend keine Zahl nennen, da es sich um eine geschlossene Veranstaltung auf abgesperrtem Gelände gehandelt habe. Beobachter schätzen rund 10 000 Zuhörer.

"In meinen Augen seid ihr alle Helden", sagt Wilders zu Beginn seiner Rede. Jubel, natürlich. "Ihr habt der Welt vor 26 Jahren eine wichtige Lektion gezeigt, ihr habt gezeigt, dass die Wahrheit stärker ist als die Lüge." Jubel, lauter. "Ihr habt Deutschland die Wende gebracht und ich sage euch: Heute braucht Deutschland eine neue Wende." Jubel, noch lauter. Wilders sagt: "Wir sind Pegida, wir sind das Volk!" Sprechchöre, wütende, trotzige. Für seine Verhältnisse eher mittelscharf hangelt sich Wilders durch sein Programm. Er erwähnt ein paar Suren aus dem Koran, mal warnt er vor, mal hetzt er gegen den Islam. Seine Conclusio: "Wenn Sie Deutschland lieben, dann schlagen Sie Alarm. Wir stehen vor einer Katastrophe. Es reicht." Jubel.

Aus Bachmanns Sicht ist es eine Leistung, Wilders nach Dresden geholt zu haben, so wie es auch eine Leistung war, von der Bundeskanzlerin in deren Neujahrsansprache indirekt erwähnt worden zu sein. Aber Wilders schafft es an diesem Abend nicht, neues Feuer zu entfachen, er gießt nur Öl dahin, wo es eh schon lodert. Und er hilft unfreiwillig dabei, den Rechtsdrall von Pegida einmal mehr zu offenbaren. In der Vergangenheit hatten die Anhänger von Pegida betont, wie wichtig ihnen die Unterscheidungen zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen sei. Den Kriegsflüchtlingen, den Familien aus Syrien, den müsse man bei uns natürlich helfen. Nun steht Geert Wilders vor ihnen und sagt, den Kriegsflüchtlingen aus Syrien müsse man natürlich helfen - und zwar in deren Heimatregionen. Er bekommt dafür vom Pegida-Publikum: Applaus.

25 Minuten spricht Wilders, dann rauschen die drei schwarzen Limousinen wieder zum Flughafen. Mit Wilders verfliegt das bisschen giftiger Glitter dieser als Großveranstaltung geplanten Mittelgroßveranstaltung. Ohne den Stargast schrumpft Pegida auf das zusammen, was es die vergangenen Wochen war: ein eher überschaubarer Populistenrest, der sich vor allem selbst stilisiert. Die von Pegida als Dresdner OB-Kandidatin gestützte Tatjana Festerling geriert sich als einzig wahre Bewerberin auf das Amt, und die, zu denen sie spricht, pflegen ironisch die Vorbehalte anderer ihnen gegenüber. "Alles Nazis", grinst einer, ein anderer grinst zurück.

Aber am Ende nimmt man jede Woche von Pegida wieder nur die Erkenntnis mit, dass alle darunter etwas anderes verstehen. Das war auch während der Wilders-Rede deutlich geworden. Man steht etwas abseits der Bühne, in einer kleinen Gruppe. Wilders sagt, vorne: "Wir hassen niemanden." Ein Mann aus der Gruppe sagt, hinten: "Doch!"

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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