Diskussion um Steuererhöhungen in Frankreich:"Hau doch ab, reicher Idiot"

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Der reichste Mann Europas als Hassobjekt: Weil der französische Unternehmer Bernd Arnault die belgische Staatsbürgerschaft beantragt hat, verabschiedet die Zeitung "Libération" den vermeintlichen Steuerflüchtling mit derben Worten auf der Titelseite. Auch Präsident Hollande schaltet sich ein.

Von Sebastian Gierke

Da steht er, mit seinem roten Köfferchen. Vor einem Gemälde von Mark Rothko. 2012 wurde eines der berühmten Farbfeldbilder des abstrakten Expressionisten für 87 Millionen Dollar versteigert. Ob das Gemälde dem Mann auf dem Foto gehört, wird nicht klar. Leisten könnte es sich Bernd Arnault jedenfalls. Locker.

Das Titelblatt der Libération: "Hau doch ab, du reicher Idiot!" (Foto: Screenshot: Libération.fr)

Arnault ist der reichste Mann Frankreichs. Und also solcher nicht oft der Titelheld der linksliberalen französischen Zeitung Libération, die das Bild Arnaults mit einem Koffer auf der Titelseite abgedruckt hat. Es ist in diesem Fall eine zweifelhafte Ehre: Die Überschrift der Zeitung dazu lautet nämlich, zurückhaltend übersetzt: "Hau doch ab, du reicher Idiot!". Arnault erstattete daraufhin wegen öffentlicher Beleidigung Anzeige gegen die Libération.

Seit diesem Wochenende beschäftigt Arnault, Chef des Luxuskonzerns LVMH, ganz Frankreich. Seit der Multi-Milliardär erklärt hat, dass er die belgische Staatsbürgerschaft beantragt hat, kochen die Emotionen hoch. Sogar Präsident François Hollande hat sich in die hitzige Debatte um Arnault eingeschaltet, der dem Magazin "Forbes" zufolge mit einem Vermögen von 32 Milliarden Euro der reichste Mann Europas und der viertreichste Mann der Welt ist.

Dabei ist gar nicht so viel passiert: Arnault hat die belgische Staatsbürgerschaft zusätzlich zur französischen beantragt. Vor dem Hintergrund der Debatte um die Besteuerung großer Vermögen brach prompt ein Proteststurm los.

"Er hätte abwägen müssen, was es bedeutet, eine andere Nationalität zu beantragen", sagte Hollande am Sonntagabend an Arnault gerichtet. Der neue französische Präsident will eine Reichensteuer in Höhe von 75 Prozent ab einem Einkommen von einer Million Euro einführen, seine Pläne bekräftigte er am Sonntagabend.

Der "Idiot" ist ein Zitat

Arnault hatte zuvor versichert, auch künftig in Frankreich Steuern zahlen zu wollen. "Ich habe und werde weiterhin meinen Steuersitz in Frankreich haben und werde in diesem Aspekt wie alle Franzosen meine steuerlichen Pflichten erfüllen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Frankreich müsse darauf zählen können, dass jeder seinen Beitrag leiste, "um der tiefen Wirtschaftskrise inmitten verschärfter Sparzwänge entgegenzutreten".

Der Antrag auf die belgische Staatsbürgerschaft habe "persönliche Gründe" und sei bereits vor einigen Monaten erfolgt, sagte Arnault. Er dürfe "nicht politisch interpretiert" werden, hob der langjährige Vertraute des abgewählten konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy hervor.

Die Aufregung in Frankreich kannte dennoch kaum Grenzen. Denn: "Viele Franzosen haben gedacht, dass er diese (die französische) Nationalität aufgibt", sagte Hollande. Franzosen seien aber "stolz darauf, Franzosen zu sein". In Krisenzeiten, wo Anstrengungen nötig seien, müsse an den Patriotismus appelliert werden.

Arnault hatte bereits nach dem Wahlsieg des Sozialisten François Mitterrand bei den Präsidentschaftswahlen 1981 Frankreich verlassen und drei Jahre lang in den USA gelebt. Nach Angaben aus informierten Kreisen plant Arnault ein "sensibles" Investitionsprojekt in Belgien, das durch eine belgische Staatsbürgerschaft erleichtert würde.

Ein Kenner des Luxuskonzerns LVMH, zu dem Nobelmarken wie Vuitton, Kenzo, Givenchy oder die Champagnermarke Moët et Chandon gehören, stellte eine Verbindung zum belgischen Milliardär Albert Frère her, der ein Freund und Geschäftspartner Arnaults ist. Der Bürgermeister der wohlhabenden Brüsseler Gemeinde Uccle bestätigte am Montag, dass Arnault sich bereits Ende 2011 an ihn gewandt habe, weil er nach Uccle ziehen wolle - also vor der Wahl Hollandes zum Staatschef. Arnault hege "Groll" gegen die Politik seines Landes, die er für "wenig einladend für Unternehmen und den Unternehmergeist" halte, so der Bürgermeister.

Tatsächlich ziehen immer mehr reiche Franzosen nach Belgien. Schätzungen zufolge leben Tausende im Nachbarstaat, weil sie dort weniger Steuern zahlen.

Die Libération kommentiert dann auch wenig zurückhaltend: "Wie konnte der reichste Mann in Frankreich ignorieren, dass seine plötzliche Liebe für Belgien eine große Kontroverse auslösen würde?" Auch wenn der LVMH-Chef nun in aller Eile zurück rudere und schwöre, er werde weiterhin in Frankreich Steuern zahlen - das symbolische Desaster sei offenkundig und werde Spuren hinterlassen. "In einem Moment, wo sich für alle - wie auch immer wir das nennen mögen - Austerität und Rezession abzeichnen, offenbaren die 'Eliten' des Landes immer wieder die gleiche moralische Leichtfertigkeit. Sie sind unfähig, sich zu reformieren - oder sich auch nur vorzustellen, welche Schäden solche Signale in der Öffentlichkeit anrichten", schreibt die Zeitung.

Ach ja: Die Überschrift auf dem Titelblatt ist eine Anspielung auf den ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der 2008 einen Mann, der ihm den Händedruck verweigert hatte, mit den Worten anfuhr: "Hau ab, du armer Idiot."

Mit Material von AFP

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