Die Kanzlerin in der Krise:Baldrian fürs Volk

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Die Kanzlerin setzt auf irgendeine Finanzdingsbumssteuer, um der verstörten Wählerschaft ein Gefühl der Gerechtigkeit zu vermitteln. Doch da täuscht sich Angela Merkel.

Heribert Prantl

Nach den Rettungspaketen für die Banken, für Griechenland und den Euro werden nun die Volksberuhigungspakete gepackt. Anders als bei den Milliarden-Rettungspaketen für Banken und Euro kommt es der Bundesregierung bei den Volksberuhigungspaketen weniger auf die Substanz, sondern vor allem darauf an, dass die Verpackung Eindruck macht. Die Qualität des Inhalts, so das Kalkül, könne das Volk ja eh nicht beurteilen. Wer kapiert schon den Unterschied zwischen einer Transaktions- und einer Aktivitätssteuer?

Angela Merkel will es mit irgendeiner Finanzdingsbumssteuer versuchen. Das wird nicht klappen. (Foto: Foto: AP)

Angela Merkel glaubt, der verstörten Wählerschaft das Gefühl, "dass es gerecht zugeht", mit irgendeiner Finanzdingsbumssteuer vermitteln zu können. Da täuscht sie sich. Die Bürger haben nicht nur die peinliche Quälerei im Kopf, mit der sich die Bundesregierung von einem "Nein, Nein" zu einem "Jein, Jein" und dann zu einem "Ja, Ja" für solche Steuern durchgerobbt hat.

Die Bürger haben auch ein Gefühl dafür, ob es sich bei den Volksberuhigungspaketen um politische Leerverkäufe handelt: Sie wissen, wie viele Milliarden in den Banken- und Euro-Rettungspaketen stecken. Sie wollen nun wissen, wie viele Milliarden künftig mit den auf dem Finanzmarkt abgeschöpften Steuern wieder hereinkommen können; das ist ein Indikator für die Kraft der Reform. In jeder Spardebatte wird diese Frage gestellt werden.

Die Existenz des Euro mag vom Euro-Rettungspaket abhängen. Die Existenz der Regierung Merkel/Westerwelle dürfte von der Konkretion und von der Ernsthaftigkeit abhängen, mit der national und international die Regulierungsmaßnahmen für den Finanzmarkt betrieben werden. An der Existenz dieser Merkel/Westerwelle-Regierung liegt den Bürgern nun freilich, wie die Umfragen zeigen, nicht mehr viel; die Wähler sehnen schon wieder die große Koalition herbei.

Es herrscht der Eindruck, dass die erste Finanzkrise von der großen Koalition ordentlich, die zweite Finanzkrise von der schwarz-gelben Koalition aber miserabel angefasst worden ist. Zumal die FDP wird nicht als Krisenmanager, sondern als Krisenverstärker wahrgenommen. Die FDP hat ihren Ruf als wirtschaftssachverständige Partei auf bedauerliche Weise verspielt.

Das Verursacherprinzip

Es geht aber um viel mehr als um die Zusammensetzung der Bundesregierung. Es geht um das Vertrauen in die Steuerungskraft von Politik: Sind die Politiker, zumindest auf europäischer Ebene, in der Lage, den Finanzmärkten ein effektives juristisches Koordinatensystem zu geben? Sind sie in der Lage, der Finanzindustrie die Rechnung für ihre Exzesse zu präsentieren, wie es sich nach dem Verursacherprinzip gehört?

Merkels Regierungserklärung handelte vor allem von der Instabilität der EU-Südstaaten, nicht aber von der Destruktivität der Finanzmärkte und dem Willen der Regierung, dagegen vorzugehen. Die Bürger werden sich mit einer Großration Baldrian, mag sie auch nett verpackt sein, nicht zufriedengeben.

© SZ vom 20.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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