Deutschland und die Euro-Rettung:Auf dem Euro-Markt der Eitelkeiten

Ob Merkel oder Rösler, ob Steinbrück oder Seehofer: Bei der Eurokrise folgen Retter und Rebellen ihrer eigenen Agenda. Die sechs wichtigsten Akteure und ihre Positionen im Überblick.

Thorsten Denkler, Berlin

Es geht um viel an diesem Donnerstag. Um die Euro-Rettung natürlich. Es geht aber auch um die Zukunft der gesamten Bundesregierung. Angela Merkel braucht die Kanzlermehrheit, wenn am Vormittag über den erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF abgestimmt wird, damit die Zweifel an ihrer Handlungsfähigkeit ausgeräumt sind. Aber nicht nur für die Kanzlerin geht es um viel. Ein Überblick über die wichtigsten Akteure und ihre Positionen.

Empfang zum 70. Geburtstag von Stoiber -  Angela Merkel

Perfekt in ihrer Rolle der coolen Europa-Retterin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

(Foto: dpa)

Angela Merkel - die coole Europa-Retterin

Die größte Stärke der Kanzlerin ist ihre demonstrative Gelassenheit. Da mögen Staaten vor der Pleite stehen, hunderte Milliarden Euro bewegt werden, Aktionskurse einbrechen - Angela Merkel lässt sich keine Eile anmerken. Um sie herum galoppiert die Krise, aber sie will ihr Schritt für Schritt begegnen. Ihr wichtigster Satz in diesen Tagen: "Wir dürfen keinen Schritt tun, dessen Folgen nicht kalkulierbar sind." Ursache und Wirkung eben, da ist Merkel ganz Physikerin - und bringt damit zuweilen politische Gegner und Freunde zur Weißglut, die von radikalen Schuldenschnitten träumen und Griechenland die Drachme zurückgeben wollen.

Aber was bleibt Merkel auch anderes übrig, als Ruhe zu bewahren. Ihre Chancen, 2013 erneut Kanzlerin zu werden, sind derzeit gering. Deshalb kann sie jetzt recht entspannt die Dinge tun, die sie für richtig hält. Und das völlig befreit vom Druck der Straße. Helmut Kohl kann keinen Kompass mehr in der Regierung erkennen? Roman Herzog findet, es werde zu wenig erklärt? Die Bürger vertrauen der Regierung mehrheitlich nicht? Merkel ficht das nicht an. Ist der Ruf erst ruiniert, regiert es sich ganz ungeniert, mag sie denken. Und hat damit vielleicht nicht ganz unrecht. Die Euro-Krise ist komplex und erfordert Schritte, die in ihrer Wirkung kaum noch jemand versteht und die außerdem ziemlich unpopulär sind. Deutsches Steuergeld für die Pleite-Griechen - da macht keiner gerne mit.

Was ihr noch bleibt, ist die Regierung bis zur Wahl 2013 über Wasser zu halten. Sie will nicht wie ihr Vorgänger Gerhard Schröder vorzeitig das Deck verlassen müssen. Darum beginnt sie erst jetzt und wie Herzog findet, "zwei Jahre zu spät", ihre Politik zu erklären - auf Regionalkonferenzen der CDU und im Talkshow-Tempel von Günther Jauch. Und darum will sie jetzt - auch wenn sie es so offen nicht sagen würde - die Kanzlermehrheit im Bundestag.

Mit etwas Glück wird sie die auch bekommen. Nur: Gelaufen ist die Sache damit nicht. Die Krise hat eines gezeigt: Nach dem Rettungspaket ist vor dem Rettungspaket. Möglichkeiten, die eigene Mehrheit zu verfehlen, wird es in den kommenden Monaten noch reichlich geben. Bleibt abzuwarten, ob Merkel dabei ihre Coolness behält.

Philipp Rösler - der überforderte Krisen-Neuling

Dienstag in Berlin. Die Welt schaut auf die deutsche Hauptstadt. In zwei Tagen wird im Bundestag über den erweiterten Euro-Rettungsschirm abgestimmt. Es geht um die Zukunft des Euro und der Bundesregierung. Der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou ist zu Gast in Berlin. Die Kanzlerin trifft sich mit ihm zum Abendessen. Auch Philipp Rösler hat ein Gespräch mit ihm. Danach aber eilt er zu einem wichtigen Termin. Der Bundeswirtschaftsminister, Vize-Kanzler und FDP-Chef eröffnet am Abend einen neuen Krawatten-Laden am Hackeschen Markt in Berlin. Vor illustren Gästen wie dem Ex-Dschungel-Camp-Star Desirée Nick und dem Adelsexperten und Ehrenmitglied des "Kiev Cigar Club", Eduard Prinz von Anhalt, hält Rösler eine kurze Ansprache.

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Inzwischen wieder voll auf Merkels Linie: Vize-Kanzler und FDP-Chef Philipp Rösler.

(Foto: AFP)

Was mag Rösler dahin getrieben haben? Schlechte Berater, sagen manche lapidar. Sein Biograph Michael Bröcker vermutet auch mangelnde Erfahrung: Für Rösler ging es bisher immer bergauf, echte Krisen kennt Rösler nicht, weder privat noch politisch. Und jetzt muss er "unbestritten vielleicht die schwierigste Situation für die FDP seit ihrem Bestehen" meistern und nebenbei noch den Menschen das Gefühl geben, in der Euro-Krise habe die FDP noch irgendetwas mitzubestimmen.

Dass das alles noch nicht zusammenpasst, zeigte sich am Euro-kritischen Kurs, den Rösler plötzlich kurz vor der Berlin-Wahl einschlug. Es dürfe keine "Denkverbote" geben, wenn es um eine Insolvenz Griechenlands ginge, sagte er. Ergebnis: 1,8 Prozent für die FDP bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus.

Inzwischen ist Rösler wieder voll auf Merkels Linie. Denn auch er hat wohl gemerkt: Wenn die Abstimmung zum EFSF schief geht, dann war es das mit der FDP im Bundestag. An seinem Timing für die Eröffnung von Krawattenläden aber sollte Rösler noch arbeiten.

Horst Seehofer - der Bayern-zuerst-Populist

Plenarsitzung im Bayerischen Landtag

Dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) kommt die Euro-Debatte gerade recht.

(Foto: dapd)

Der CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern ist ein erfahrenes Schlachtross. Er hat schon Kämpfe als Bundesminister durchgestanden, da haben manche heutige Minister und Parteichefs noch in ihre politischen Windeln gemacht. Jetzt hat er vor allem ein Ziel: die CSU wieder zur alleinherrschenden Kraft in Bayern zu machen. Einen Koalitionspartner haben zu müssen, ist einem CSU-ler nämlich in etwa so angenehm wie ein Furunkel am Gesäß. Das muss weg. Schnell.

Da kommt ihm die Euro-Debatte gerade recht. Anders als Merkel muss er da gar nichts verteidigen, er hat schließlich in Brüssel diese ganzen Rettungsschirme nicht mitverhandelt. Darum kann er jetzt gelassen mit Volkes Stimme reden und sich zum Fürsprecher derer machen, die den Griechen kein deutsches Steuergeld mehr in den Rachen schmeißen wollen. "Bis hierhin und nicht weiter", ruft Seehofer der Kanzlerin im SZ-Interview zu. Klar, die Koalition will auch er an der Frage nicht zerbrechen lassen. Eine vorzeitig gescheiterte CDU-geführte Bundesregierung wäre nicht gut, für seine Wahlchancen 2013.

Seehofer reicht es deshalb erstmal, wenn mit Thomas Silberhorn und Peter Gauweiler zwei lautstarke Rettungsschirm-Gegner im Bundestag aus den eigenen Reihen kommen. Das schärft das Profil. Gauweiler hat er inzwischen sogar schon so ins Herz geschlossen, dass er sich dessen Kandidatur gegen Verkehrsminister Peter Ramsauer für den Parteivorstand nicht in den Weg stellt.

Peer Steinbrück - der Mann mit der Kanzlermission

WirtschaftsFORUM mit Peer Steinbrück

Dank Peer Steinbrück wird staatspolitische Verantwortung wieder großgeschrieben in der SPD.

(Foto: dpa)

Dass der Mann spätestens 2013 Kanzler werden will, muss er gar nicht sagen. Das zeigt sein Gang, seine ganze Haltung. Steinbrück geht wie einer, der sich zutraut, das Land, nein, ganz Europa mit harten Schnitten und harten Worten aus der Krise herauszuführen. "Alles hört auf mein Kommando", sagen Blick und Stimme. In den finanzpolitischen Papieren der SPD steht inzwischen kaum noch ein Wort, das nicht mit dem krisengestählten Finanzminister der großen Koalition abgestimmt ist.

Mit ihm wird es das wohl auch nicht mehr so schnell geben, dass die SPD im Bundestag gegen europäisch vereinbarte Rettungspakete stimmt. Staatspolitische Verantwortung wird wieder großgeschrieben in der SPD.

Das hat auch strategische Vorteile. Wo die SPD ihre Zustimmung signalisiert, dürften sich Abweichler in den Regierungsfraktionen ermuntert fühlen, ihre Haltung nicht der Koalitionsdisziplin zu opfern. Irgendwann vielleicht, eher nicht an diesem Donnerstag, wird Schwarz-Gelb ohne eigene Mehrheit dastehen. Und dann wäre Steinbrück zu Stelle, Merkel zu beerben.

Frank Schäffler und Wolfgang Bosbach - die Eurorebellen

Zwei Rebellen, zwei Parteien, zwei unterschiedliche Ansätze. Da ist auf der einen Seite der FDP-Mann Frank Schäffler, ein klassischer Euro-Skeptiker, inzwischen isoliert in der eigenen Fraktion. Manche seiner eigenen Parteifreunde reden über ihn, wie über einen Aussätzigen. Der treibe es einfach zu weit, biete keine Lösungen an, nur Problemanalysen, verschärfe das desolate Außenbild der FDP, sei nur auf dem Trip, um sein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit zu befriedigen.

Schäffler ist gegen jede Hilfe für finanzschwache Euroländer. Und wenn er sagt gegen jede Hilfe, dann meint er auch jede Hilfe. Den Rettungsschirm EFSF lehnt er genauso ab, wie dessen Erweiterung oder dessen Nachfolger, den dauerhaften Stabilitätsmechanismus ESM. Gegen letzteren organsiert er gerade einen Mitgliederentscheid. Anfang Oktober will er die nötigen Unterschriften zusammen haben. Schäffler will der Partei seine Position aufzwingen. Koste es, was es wolle.

Ganz anders Wolfgang Bosbach. Der Rheinländer gilt als treuer Vasall der Kanzlerin. Zwar leicht angesäuert, weil der Innenexperte der Fraktion nach der Bundestagswahl 2009 nur den Vorsitz des Innenausschusses übernehmen durfte. Aber das war für ihn nie ein Grund, öffentlich die Regierungspolitik anzugreifen.

In der Euro-Frage aber kennt er kein Pardon mehr. Wo eine Kamera bereit steht, spricht er hinein und erklärt, warum er den Weg nicht mehr mitgehen kann. Vor allem wegen der gewaltigen Summen, um die es da geht. 440 Milliarden Euro umfasst der EFSF jetzt, Deutschland haftet demnächst mit mindestens 211 Milliarden Euro. Es werden immer mehr werden, befürchtet er. Und wenn der Plan schief geht, dann steht Deutschland mit einem Betrag in der Pflicht, der zwei Drittel des Bundeshaushaltes ausmacht.

Darum wird auch Bosbach im Bundestag an diesem Donnerstag mit Nein stimmen. Das reicht ihm allerdings. Einen Feldzug wie Schäffler will er nicht führen. Anders als der akzeptiert Bosbach die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag.

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