Deutsche Bank:Cryans Schlingerkurs

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Ein Jahr ist er nun im Amt. Doch wie das Geschäftsmodell des größten deutschen Kreditinstituts aussehen soll, hat Vorstandschef John Cryan bislang nicht vermitteln können. Die Zeit, hierauf Antworten zu geben, läuft für den Briten bald ab.

Von Meike Schreiber

John Cryan ist ein Mann mit beeindruckender Vita im globalen Bankgeschäft. Als Finanzvorstand der UBS hat er mitgeholfen, das größte Schweizer Geldhaus binnen 18 Monaten zu sanieren. Seit einem Jahr nun steht der Brite an der Spitze der Deutschen Bank. Und wieder muss Cryan den Krisenhelfer geben.

Mittlerweile steht fest: Der Job in Frankfurt ist noch schwerer als der in Zürich. Zwar trauen viele Investoren Cryan zu, hart zu sparen. Trotzdem kennt der Aktienkurs der Deutschen Bank, das unbestechlichste Vertrauensbarometer, nur den Weg nach unten, seit der Brite im Amt ist. Denn so wie sich inzwischen sein Ruf als Sparfuchs und Mikromanager gefestigt hat, wird zugleich immer deutlicher, was ihm fehlt: eine Vorstellung davon, wohin er die Deutsche Bank in den nächsten Jahren überhaupt führen will.

Bis jetzt vermittelt Cryan nicht den Eindruck, als wüsste er, was das Geschäftsmodell desjenigen deutschen Unternehmens sein soll, das in der Bevölkerung so umstritten sein dürfte wie kaum ein zweites. Genau dieses Modell muss Cryan aber finden, um Aktionäre, Kunden sowie Belegschaft und Öffentlichkeit hinter sich zu bringen und wieder ordentliche Gewinne zu erwirtschaften.

Das jüngste Beispiel für Cryans Schlingerkurs ist die Privatkundentochter Postbank. Der frühere Vorstand hatte - mit dem Segen des damaligen Aufsichtsratsmitglieds Cryan - vor anderthalb Jahren beschlossen, die Postbank vom Konzern abzutrennen. Jetzt, nach 18 Monaten mühsamer Entflechtung und vergeblicher Suche nach einem Käufer, gesteht die Deutsche Bank indirekt ein, gescheitert zu sein. Nun will sie die Postbank doch behalten.

Am besten wäre es, den Verkauf der Postbank abzusagen

Geblieben ist allerdings der Kapitalengpass, der die Deutsche Bank überhaupt erst dazu gezwungen hat, den Verkauf der Postbank zu beschließen. Wie er diesen Engpass auf anderem Weg überwinden will, sagt Cryan bislang nicht.

Dabei ist die Antwort womöglich gar nicht so schwierig. Denn mit der Wiedereingliederung der Postbank könnte Cryan das erreichen, was er bislang nur angekündigt hat: der Deutschen Bank ein stabileres Fundament im Heimatgeschäft mit Privat- und Firmenkunden zu legen, mit verlässlichen Erträgen zu überschaubaren Kosten. Das geht umso besser, je mehr Kunden der Konzern betreut. Inklusive Postbank sind das 22 Millionen Privatkunden, ohne etwa neun Millionen. Genauso machen es alle erfolgreichen Großbanken: BNP Paribas in Frankreich, Santander in Spanien, JP Morgan in den USA. Dahinter steht auch der Gedanke, dass Bankprodukte austauschbar sind, Kundenbeziehungen aber nicht. Und gerade hier ist die Deutsche Bank zurückgefallen: Die Dauerschleife aus Skandalen, Milliardenboni, Strategieschwenks und arroganter Attitüde hat ihren Ruf daheim versaut.

Wer heute Unternehmer nach der Deutschen Bank fragt, trifft auf eine Mischung aus Mitleid und Gleichgültigkeit. Die jahrzehntelange Verankerung des Instituts in der Deutschland-AG ist gefährlich locker.

Die Kapitalnot hätte Cryan damit freilich noch nicht gelindert. Dafür braucht es eine viel drastischere Schrumpfung des Kapitalmarktgeschäfts, also des Handels mit Wertpapieren. Dort schwanken die Erträge wie sonst nirgends, kein anderer Bereich bindet so viel teures Eigenkapital. Wirklich notwendig, um Firmenkunden zu bedienen, ist ein riesiger Handel nicht; dafür, das zeigen andere Banken deutlich, reicht eine abgespeckte Variante.

Die stärkere Verankerung im Heimatgeschäft, weniger Handelsgeschäft, dazu Cryans Spezialdisziplin Sparen: So könnte die Deutsche Bank gesunden. Aber dafür muss Cryan rasch umsteuern, eine weitere Chance werden ihm die Investoren nicht geben.

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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