Deutsch-britische Städtepartnerschaft:Ende einer Beziehung

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Das Verhältnis war schon länger nicht mehr innig, am Ende stand ein Trennungsbrief mit ein paar dürren Worten des Bedauerns: Der Stadtrat im britischen Bishop's Stortfort kündigt die Partnerschaft mit dem hessischen Friedberg - nach 46 Jahren. Ein Lehrstück

Marc Widmann, Frankfurt am Main

Er klingt noch immer recht verwundert, der Bürgermeister des hessischen Städtchens Friedberg, wenige Kilometer nördlich von Frankfurt. "46 Jahre Städtepartnerschaft kann man durchaus beenden", sagt Michael Keller. "Aber doch nicht so."

Die Briten wollen nicht mehr Partner der Hessen sein, dabei hat Friedberg einiges zu bieten, etwa eine der größten Burganlagen Deutschlands. (Foto: picture-alliance / Friedel Giert)

Nur eine Seite hat der Brief, den Keller unlängst von seinem britischen Kollegen Allen Burlton erhielt, Bürgermeister des britischen Städtchens Bishop's Stortford, wenige Kilometer nördlich von London gelegen. "Mir ist bewusst, dass die Enttäuschung groß sein wird", schrieb der Brite. Doch der Stadtrat habe beschlossen, "die Patenschaft zwischen unseren Städten aufzuheben".

Die Begründung liest sich ein wenig seltsam: "Der Rat der Stadt ist sich bewusst, dass wir nun Teil der Europäischen Union sind, und die Bewohner der Stadt und besonders die jungen Leute viele Gelegenheiten haben, die europäischen Nachbarländer zu besuchen - somit hat die Patenschaft an Bedeutung verloren." Das klingt, als seien die Briten plötzlich EU-Mitglied geworden, nicht schon 1973.

In Deutschland trifft der Brief auf Unverständnis

Man kann jedenfalls nicht behaupten, dass der Brief in Deutschland auf großes Verständnis traf. "Anstatt dass wir in dieser Krise zusammenrücken, gehen wir noch mehr auseinander", sagt der deutsche Bürgermeister Keller, "ich glaube, wir haben sie nicht mehr alle!"

Keller war schon dabei, als im Jahr 1965 erstmals junge Friedberger nach Bishop's Stortford reisten. Zu Hause hörten viele Deutsche noch Caterina Valente, dort erlebte der 15-Jährige eine neue Welt: Eric Burdon und die Animals. "Das war für mich 'ne Sensation."

Nun ist Keller kein Traumtänzer, auch er hat bemerkt, wie die Partnerschaft über die Jahre nachließ. Vor 20 Jahren fuhren fünf oder sechs Busse im Jahr, zuletzt war es noch einer. Kellers Sohn studiert in Sydney, nicht in England; Friedberger Schulklassen fahren heute auch gerne mal nach Russland oder China.

Und trotzdem glaubt der deutsche Bürgermeister, dass die britische Kündigung zumindest zur Hälfte noch einen ganz anderen Grund hat. Er nennt es "die Wagenburgmentalität der Torys".

Fast der komplette Stadtrat von Bishop's Stortford ist in den Händen der konservativen Partei, und schon in den vergangenen Jahren musste sich Keller von den Tory-Lokalpolitikern beim gemeinsamen Mittagessen seltsame Fragen nach dem Sinn der Partnerschaft anhören. Bei seinem letzten Besuch fehlte der britische Bürgermeister ganz. "Die ticken sehr eigen", sagt der hessische Sozialdemokrat: "Sowas an konservativ kennt man bei uns nicht."

Mit seiner Vermutung ist Keller nicht alleine. "Der kommunale Isolationismus ist der neueste und traurigste Beleg für die pathologische Europa-Besessenheit der Torys", zitiert der Guardian den früheren britischen Europaminister Denis MacShane. Er ist Mitglied der Labour-Party, im Stadtrat von Bishop's Stortford sitzt sie seit neun Jahren nicht mehr.

Die britischen Kommunalpolitiker sind nicht zu erreichen

Die britischen Kommunalpolitiker sind in diesen Tagen nicht zu erreichen, so kann man sie nicht fragen, wie sie es mit Europa halten. Ob sie der Meinung sind, dass man sich Städtefreundschaften generell sparen kann. Bislang stehen sie mit dieser Ansicht jedenfalls isoliert da.

"Ich habe null Sorge, dass jetzt das Totenglöckchen der Städtepartnerschaften geläutet würde", sagt Kristina Schoger. Sie betreut im Büro der Dresdner Oberbürgermeisterin die wohl symbolträchtigste deutsch-britische Verbindung: 1959 verband sich das von den Briten ausgebombte Dresden mit dem von den Deutschen ausgebombten Coventry. Es ging ums Versöhnen, ums gegenseitige Verstehen, und es funktioniert bis heute.

Ein junger Dresdner ist derzeit in Coventry zum Freiwilligendienst, die Verkehrsmuseen organisieren eine gemeinsame Ausstellung über die Kriegszeit, im Februar singt der Chor der Kathedrale von Coventry in der Dresdner Frauenkirche. Europahassende Briten? "Ich habe das auf unserer Ebene noch nie gespürt", sagt Schoger.

So ist der Bürgermeister von Friedberg womöglich ein Einzelfall. Michael Keller hat jedenfalls noch einen letzten Wunsch an seine ehemaligen Partner: "Lasst uns in jeder Stadt ein schönes Abschiedsfest machen."

© SZ vom 02.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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