Debatte über NPD-Verstrickung in rechten Terror:Das Verbot einer gewalttätigen Partei ist ein Gebot

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Die Indizien mehren sich, dass die NPD ein Hort der Gewalt ist. Die potentiellen Opfer von rechten Schlägern und Mördern haben ein Recht darauf, dass der Staat sie schützt. Es wird Zeit für ein Verbot der NPD. Die Chancen dafür stehen besser denn je. Und ein weiteres Abwarten könnte tödlich sein.

Heribert Prantl

Die Weichen für ein Verfahren zum Verbot der NPD sind neu gestellt. Weichensteller waren die Neonazis selbst - die Neonazis nämlich, die gewalttätig und zugleich in der NPD organisiert sind oder waren. Es hat lange gedauert, bis man ihnen auf die verbrecherische Schliche kam. Aber: Es mehren sich nun die Indizien, dass die Neonazi-Partei nicht nur eine widerliche politische Partei ist; das müsste die Demokratie aushalten. Sie ist offenbar zugleich ein Hort der Gewalt. Die potentiellen Opfer haben ein Recht darauf, dass sie der Staat vor dieser Gewalt schützt - durch ein Verbot dieser Partei.

"Nazi-Strukturen zerschlagen": Die Forderungen nach einem NPD-Verbot werden lauter. (Foto: dpa)

Das Verbot einer gewalttätigen Partei ist ein Gebot. "Unter dem Deckmantel" einer politischen Partei, so sagt es das Bundesverfassungsgericht, dürfen keine schwerwiegenden Straftaten "vorbereitet oder geplant werden". Seit der Verhaftung des früheren NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben wegen Beihilfe zum sechsfachen Mord rückt das bisherige Hindernis für ein neues Verbotsverfahren in den Hintergrund. Dieses Hindernis hieß: V-Leute.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seinem Beschluss, mit dem es im Jahr 2003 das erste Verbotsverfahren einstellte, eine "Abschaltung" der V-Leute in der NPD gefordert; nur so sei ein faires Verbotsverfahren zu gewährleisten. Das Gericht hatte damals aber zugleich auf eine Ausnahme ausdrücklich hingewiesen. Diese Ausnahme besagt: Wenn eine Partei Gewalttaten fördert, dann ist ihr Verbot so dringlich, dass "zur Abwehr akuter Gefahren" auf die Abschaltung der V-Leute nicht mehr gewartet werden muss. Warum? Es könnte ein tödliches Zuwarten sein.

Im damaligen Verfahren hatte diese Ausnahme keine Rolle gespielt. Die unmittelbaren Verbindungen zwischen der NPD und der Gewalt standen kaum jemandem vor Augen. In den drei Antragsschriften zum NPD-Verbot fanden sich keine diesbezüglichen Hinweise. Jetzt gibt es sie; jetzt hat ein Verbotsantrag eine neue, erfolgversprechende Basis. Mit Argumenten kann man gut gegen eine braune Ideologie streiten.

Mit Argumenten aber kann man die Menschen nicht schützen, die von Rechtsextremisten geschlagen, gehetzt und getötet werden. Zum Schutz dieser Opfer vor Schlägern und Mördern, nicht zum Schutz der Demokratie vor Spinnern, ist die NPD zu verbieten. Es geht also nicht darum, dass es sich der Rechts- und Verfassungsstaat mit seinen Gegnern leichtmacht, sondern dass er alles tut, um Menschenwürde zu sichern und Menschen zu schützen.

"Vor dem Antisemitismus ist man nur auf dem Monde sicher", hat Hannah Arendt einmal mit ironischem Pessimismus gesagt. Für den Ausländerhass gilt das auch. Umso wichtiger ist der Versuch, den Mond auf die Erde zu holen. Ein NPD-Verbot ist ein solcher Versuch. Das Verbot wird den Hass und die Gewalt nicht beseitigen. Aber es versetzt den Strukturen, in denen Hass und Gewalt gedeihen, einen schweren Schlag.

© SZ vom 01.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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