Datenschutz-Beauftragter Peter Schaar:Der Nette

Tätigkeitsbericht für Datenschutz und Informationsfreiheit

In seiner zehnjährigen Amtszeit hat Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar immer wieder Bilanz gezogen - etwa zur Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetze.

(Foto: dpa)

Google, Facebook, NSA - für die Sache des Datenschutzes sind es schwere Zeiten. Und für den Mann, der dem Thema in Deutschland seit nunmehr zehn Jahren ein Gesicht gibt? Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar steht am Ende seiner Amtszeit. Und er ist mitnichten frustriert. Eine Begegnung.

Von Ronen Steinke, Berlin

Es sind frustrierende zehn Jahre gewesen für den Datenschutz. Google und Facebook haben sich zu neugierigen Begleitern von Millionen Menschen entwickelt, haben immer mehr mitgelesen und mitgespeichert. Gleichzeitig haben diverse Großunternehmen die Überwachung ihrer Mitarbeiter für sich entdeckt. Und auch der Staat hat auf die Angst vor Terrorismus zeitweise mit einem regelrechten Stakkato neuer Sicherheits- und Überwachungsgesetze geantwortet.

Und der Bundesdatenschutzbeauftragte? War die ganze Zeit über zu wenig mehr befugt als zu mahnen.

Wie geht einer mit solch einer verflixten Lage um? Weiter insistieren, agitieren, resignieren?

Das Erstaunliche ist: Wenn man Peter Schaar, den Bundesdatenschutzbeauftragten, am Ende seiner zehnjährigen Amtszeit in seinem Büro trifft, wirkt er überhaupt nicht frustriert. Die Sonne scheint, Schaar, 59, isst Kekse, draußen spielen verkleidete Berliner am Checkpoint Charlie DDR-Theater für Touristen.

"Stasi 2.0" haben sie hier plakatiert, so ernst war die Sache vor ein paar Jahren noch. Unter dem schrillen Schlagwort prangerten Demonstranten die Überwachung aller Lebensbereiche an - Überwachung durch deutsche Sicherheitsbehörden, die so paranoid geworden seien wie einst der DDR-Geheimdienst. Zu Zeiten der letzten großen Koalition war das, der Innenminister hieß damals Wolfgang Schäuble, und die kleinen Parteien, die selbsternannten Bürgerrechtsparteien FDP und Grüne, waren weit entfernt von den Hebeln der Macht.

Jetzt kehrt dieselbe politische Konstellation zurück. Die FDP, die in den vergangenen vier Jahren die Einführung der Vorratsdatenspeicherung hartnäckig blockiert hat, ist sogar aus dem Parlament geflogen.

Aber Peter Schaar schwärmt: "Es ist eine einmalige Situation, was die Chance für besseren Datenschutz betrifft. Die Berichterstattung über die Abhöraffäre hat ein Bewusstsein geschaffen."

Mitten in einem Abhör-Skandal, der die Überwachungsaffären der vergangenen Jahre rückblickend als beinahe niedlich erscheinen lässt, freut sich Schaar über ein gewachsenes Problembewusstsein. Es ist dieser unerschütterliche Optimismus, dieses "Das Glas ist halb voll", mit dem er in den vergangenen zehn Jahren andere Datenschützer im Land auf die Palme gebracht hat.

Seine Amtsjahre 2003 bis 2013: Waren das nun zehn schlechte oder zehn gute Jahre für den Datenschutz? Nicht einmal mit dieser Zuspitzung reizt man Schaar dazu, harsch zu werden.

"Och, das sind die Zeiten, in denen wir leben", sagt er. Lamentieren liege ihm nicht, sondern mitgestalten, soviel man könne.

Warnung vor dem "Ende der Privatsphäre"

Leutselig, hemdsärmlig, kein Strippenzieher, sondern ein bodenständiger Pragmatiker: So hat Schaar sein Amt ausgefüllt. Seit 2003 ist er das Gesicht des Datenschutzes in Deutschland. Und damit ist seine Geschichte auch die dieses politischen Themas, das einen beispiellosen Bedeutungszuwachs erfahren hat.

Als die "Stasi 2.0"-Rufe ihren Höhepunkt erreichten, im großkoalitionären Jahr 2008, da hat Peter Schaar gerade ein Buch herausgebracht. Es hieß: "Das Ende der Privatsphäre". Schon der Titel zeigte damals, wie schwer es ein Datenschützer hatte, überhaupt noch mit einem neuen Negativ-Superlativ durchzudringen. Denn mit derselben Schlagzeile hatte der Spiegel schon Jahre zuvor seine Titelseite bestritten. In nicht weniger als 52 Datenbanken fänden sich Spuren des durchschnittlichen Deutschen bereits, hatte das Nachrichtenmagazin damals alarmiert geschrieben. 1999 war das, als Peter Schaar noch Grünen-Politiker in Hamburg war.

52 Datenbanken? Inzwischen wirkt diese Zahl völlig überholt. Die vielen Augen, die jeden Deutschen verfolgen, seine Krankheitsgeschichte, seine Bewegungen, seine Vorlieben, sind von Jahr zu Jahr mehr geworden, sagt Peter Schaar heute in seinem Berliner Büro. Technischer Fortschritt, die kein Innehalten kennt und schon gar keinen Rückwärtsgang. "Das ist eine Entwicklung, die wir nicht aufhalten können. Aber gestalten."

Die Zeit, als man ihm am meisten hofierte

Das Buch, das Schaar 2008 veröffentlichte, enthielt übrigens durchaus harte Töne - so hart, wie man sie von ihm in Interviews nicht kennt. Es kam zu einer Zeit heraus, als in Berlin Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung und biometrische Pässe auf dem Vormarsch waren. Doch wie reagierte die schwarz-rote Koalition damals auf Schaar, ihren Kritiker?

Mit einer Umarmung. Der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble erklärte sich bereit, Schaars Buch offiziell vorzustellen. Er schlug den Grünen Schaar auch zur Wiederwahl im Bundestag vor - wider alle Koalitionsarithmetik. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung dekorierte Schaars Buch sogar mit einem Preis.

Ausgerechnet dies war die Zeit, als man ihn am meisten hofierte. "Da haben auch schon Leute gesagt: Da hast du was falsch gemacht", erinnert sich Schaar. "Vielleicht habe ich aber auch was richtig gemacht."

Es war fast schon skurril. Es gab damals gleich drei "Datenschutzgipfel" in einer Woche: bei der Bundesregierung, bei der SPD, bei der Union. Jeder wollte zeigen, dass ihm der Datenschutz am Herzen liegt. Selbst Wolfgang Schäuble, der Innenminister, entdeckte eine Gemeinsamkeit mit Peter Schaar. Auch wenn man beim Thema Sicherheitsgesetze weit auseinanderliege, so sei man sich doch einig, dass die Datenschutzregeln für Privatfirmen an das Internet-Zeitalter angepasst werden müssten.

Schaar durfte diesen Erfolg in der Öffentlichkeit präsentieren. Und er strahlte dabei und lobte die große Koalition.

Natürlich, an der Haltung der Regierung zu Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung änderte sich dadurch nichts, wie seine Kritiker nachher einwandten; nur am Gesprächsklima.

"Die Realität verändert sich"

In seiner eigenen Partei, bei den Grünen, hat Peter Schaar stets für einen Ausgleich geworben. Man müsse die Argumente der Sicherheitsbehörden ernstnehmen. Als in Deutschland Zehntausende gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung auf die Straße gingen, da präsentierte Schaar einen Kompromissvorschlag: "Quick freeze plus" nannte er das Konzept, "Vorratsdatenspeicherung light" ätzten die Radikaleren im Datenschutz-Lager dagegen.

"Da habe ich mir böse Kommentare auch von einigen Journalisten eingefangen", erinnert sich Schaar. "Aber meine Überlegung war, dass man damit Bewegung in die Debatte bringt."

Und dann sagt Peter Schaar einen Satz, der idealtypisch auf den Punkt bringt, welche Haltung er in den vergangenen zehn Jahren zu seinem Markenzeichen gemacht hat. In der Tat, so räumt Schaar vorweg ein: Die Bedrohung der Privatsphäre sei heute so groß wie noch nie. "Es ist wichtig, dass wir das Datenschutzrecht einhalten, es ist wichtig, dass wir es durchsetzen. Aber wir können mit unseren rechtlichen Positionen nicht umgehen wie mit Bibelsätzen. Wir müssen auch sehen, wie sich Realität verändert, ohne opportunistisch zu werden. Das ist diese schwierige Balance-Situation, in der man sich da dauernd befindet."

Noch bis Ende dieses Jahres ist Schaar im Amt. Am 17. Dezember muss der Bundestag einen Nachfolger bestimmen. Sicherlich schauen sich die Fachpolitiker von Union und SPD bereits jetzt nach möglichen Kandidaten um - nach dem Mann oder der Frau, mit dem oder der sie dann bis Ende 2018 über die Vorratsdatenspeicherung und eine Reform der Sicherheitsdienste werden streiten müssen. Es wird wohl einer der Ihren sein.

Aber dass der Grüne Schaar nicht mehr wiedergewählt werden kann, wird nicht nur er selbst bedauern. Womöglich werden das auch Rote und Schwarze tun. Mit ihm konnten sie gut.

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