CSU:Jetzt lieber gehorchen

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Früher machten sie sich in der Partei über Seehofer lustig, sie hielten ihn für einen Eigenbrötler. Nun rufen die Allermeisten ihn ein letztes Mal als Heilsbringer herbei. Und die anderen fügen sich in Schweigen.

Von Wolfgang Wittl

Horst Seehofer hat vor ein paar Monaten gesagt: Es müsste schon der Himmel über Bayern einstürzen, damit er vor dem Ende seiner Amtszeit als Ministerpräsident aufhöre. Inzwischen muss der Satz lauten: Es müsste schon der Himmel über Bayern einstürzen, damit Seehofer nicht über 2018 hinaus als Ministerpräsident weitermacht. Am Montag will er seine Entscheidung bekannt geben. Eine Überraschung wäre es nur noch, wenn er sich zurückzöge. Selten lagen der persönliche Triumph und das Scheitern eines Parteichefs so nahe beisammen: Der Triumph, unverzichtbar zu sein - das Scheitern, seine Nachfolge zu regeln.

Seehofer hat erreicht, was keiner für möglich gehalten hat: Obwohl er mit seinem viel zu früh angekündigten Abschied Gefahr lief, zur lahmen Ente zu werden, obwohl er bei der Landtagswahl 2018 in Bayern bereits 69 Jahre alt sein wird, ruft ihn die CSU jetzt als Heilsbringer herbei - selbst jene in der Partei, die ihn einst verwünschten. Und die wenigen, die seinen Abgang herbeisehnen, fügen sich in Schweigen.

Es stimmt ja, was Seehofers Vorgänger bei einem Treffen mit ihm diagnostiziert haben: Nur er kann die absolute Mehrheit der CSU in Bayern verteidigen, nur er vermag die Partei vor einem selbstzerstörerischen Nachfolgekampf zu bewahren, kein anderer kann ihre bundespolitischen Ziele besser durchsetzen. Seehofer sagt, er sehe sich in der Pflicht für die Partei. Aber genau darin zeigt sich sein Versagen: Er hat es nicht geschafft, die CSU so aufzustellen, dass ihr bis 2018 der Übergang gelingt. Diejenigen, die er sich als Nachfolger vorstellen kann, sind (noch) zu schwach. Denjenigen, der derzeit am stärksten ist, also Söder, mag er sich partout nicht als Nachfolger vorstellen.

Seehofer wird nachgesagt, ein begnadeter Taktierer zu sein. Falls er stets geplant hatte, seine Karriere über 2018 hinaus zu verlängern, hätte er nun sein Meisterwerk vollbracht. Aber ob das wirklich so gewollt war? Wahrscheinlicher ist, dass Seehofer wirklich vorhatte, der erste CSU-Chef zu sein, der die Übergabe nach seinem Willen gestaltet. Das war vor fünf Jahren, als das Karriereende noch weit entfernt war. Fünf Monate vor einer Bundestagswahl fällt es schwerer, loszulassen.

Dieser Volkstribun hat sich seine Partei längst untertan gemacht, und die lässt es sich gefallen. Disziplin und Gehorsam haben in der CSU (wie auch in der CDU) immer mehr gezählt als in anderen Parteien. Kohl und Strauß, und nun Merkel und Seehofer: Sie waren und sind Bewahrer ihrer eigenen Macht, manchmal länger, als es der eigenen Partei dient. Doch als die CSU ausnahmsweise gegen ihren Alleinherrscher aufbegehrte, gegen Edmund Stoiber, ging es schief. Das Trauma der verlorenen absoluten Landtagsmehrheit von 2008 wirkt bis heute.

Auch jetzt wird die CSU ihrem Chef also folgen. Aber nur, weil sie ihn braucht und weil er am meisten Erfolg garantiert. Der Mann, über den sie sich einst als Dosensuppe löffelnden Eigenbrötler lustig gemacht haben, soll die Partei in bedrohlicher Lage durch die nächsten zwei Jahre steuern. Danach hat er seine Schuldigkeit getan. Es ist ein Irrtum von Seehofer zu glauben, er werde der Partei seinen Politikstil - die "Koalition mit dem Bürger" - dauerhaft einimpfen können. Er selbst hat bewiesen, dass in der CSU nichts von Dauer ist. Nahezu alle Entscheidungen seines Vorgängers Stoiber hat er persönlich rückgängig gemacht. Seehofer wird die CSU daher vielleicht über die kritischen Wahlen bringen, aber er wird ein Retter auf Zeit bleiben. Der Konflikt über seine Nachfolge ist nur vertagt.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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