CSU:Der Horst als Versöhner

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Trotz der heftigen CDU-Verluste in der Hauptstadt verkneift sich Seehofer diesmal Kritik an Merkel. Das ist natürlich kein Zufall.

Von Wolfgang Wittl

Gerade mal zwei Wochen liegen zwischen den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, mit nur 19 und 17,6 Prozent der Stimmen fallen die Ergebnisse für die CDU nahezu identisch aus, identisch verheerend. Doch die Tonlage in Bayern ist inzwischen eine völlig andere. An dem Montag nach Mecklenburg-Vorpommern hatte CSU-Chef Horst Seehofer Grundsatzkritik über Kanzlerin Angela Merkel ausgekippt: Zerrissen sei das Land, das Vertrauen schwinde rasant: "Die Menschen wollen diese Berliner Politik nicht." Am Befund hat sich für Seehofer seitdem zwar nichts verändert, seine Worte nach Berlin aber klingen deutlich konstruktiver. "Mit Zukunftsvisionen" müssten CDU und CSU die Menschen überzeugen. Kritik an Merkel, am Berliner Betrieb? Keine Silbe!

Die CSU bemüht sich erkennbar, den monatelangen Streit mit der Schwesterpartei zu beenden. Seit Wochenbeginn trifft sich die CSU-Landtagsfraktion, die sich als Kraftzentrum der Partei versteht, in Kloster Banz zu ihrer Herbstklausur. Dort zelebriert sie noch mehr als sonst besonders markige Auftritte. Im vergangenen Jahr hatte sie demonstrativ den ungarischen Premier Viktor Orbán eingeladen, Merkels härtesten europäischen Widerpart in der Flüchtlingspolitik, eine gezielte Provokation. Fraktionschef Thomas Kreuzer zählt in der CSU zu den größten Kritikern von Merkels Flüchtlingspolitik. Doch anstatt die Kanzlerin erneut anzugreifen, zeigt er sich zum Klausurstart erstaunlich rücksichtsvoll. Überwiegend landespolitische Ursachen habe die verlorene Wahl in Berlin für die CDU gehabt, sagt Kreuzer. Und dass er überzeugt sei, dass die Union auch in Berlin so viel Vertrauen zurückgewinnen könne, "damit wir auch in Bayern davon profitieren". Nanu, ist der bayerische Löwe nur noch ein Schmusekätzchen?

Nanu, ist der bayerische Löwe nur noch ein Schmusekätzchen?

Mitnichten, nur hat die CSU wie die CDU erkannt, dass die Zeit drängt, will die Union bei der Bundestagswahl wieder gut abschneiden. Für die Christsozialen ist die Wahl 2017 vorentscheidend, will sie ein Jahr später in Bayern ihre absolute Mehrheit verteidigen. Seehofer hat das in internen Runden zuletzt mehrmals betont. Merkel dagegen weiß, dass sie ohne die CSU kein gutes Ergebnis im Bund erzielen kann. Merkel und Seehofer also brauchen einander, daher ist die Zeit für beide reif einzulenken.

Seehofer hat seinen Plan am Montag bereits skizziert: Etwa drei Wochen blieben der Union, um den gordischen Knoten zu durchschlagen. Bis dahin muss die CSU Klarheit haben, ob es Sinn ergibt, Merkel zu ihrem Parteitag Anfang November einzuladen. Für die Union gehe es darum, wie bei der Klausur in Potsdam vereinbart, eine inhaltliche Plattform zu finden - und "nicht einen faulen Formelkompromiss". Dazu zählt die CSU die konsequente Abschiebung straffällig gewordener Flüchtlinge ebenso wie die Rückführung von Asylbewerbern in sichere Herkunftsländer. Aber auch in der Sachpolitik - innere Sicherheit, Steuer, Rente, Wirtschaftspolitik, Europa - müsse die Union Antworten liefern, fordert Seehofer. Für ihn ist dies der Versuch, eine Brücke zu bauen, über die beide Schwesterparteien gehen können. "Es wird höchste Zeit, dass wir Gemeinsamkeiten finden", sagt Seehofer und fügt hinzu: "Um in der Bundestagswahl zu bestehen."

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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