China:Staatsstreich im Internet

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Seit einigen Tagen kursiert im Netz das Gerücht, es habe in China einen Staatsstreich gegeben. Blogger berichten, ein ehemaliger Minister habe einen Putschversuch unternommen. Niemand weiß genau, was hinter den Mauern des Parteihauptquartiers geschehen ist - und so gibt es immer wildere Spekulationen.

Christoph Giesen

Eine Woche ist es nun her, dass Chinas Zentralkomitee Bo Xilai, den populären Parteichef der Metropole Chongqing, abgesetzt hat. Doch statt der erhofften Ruhe, hat der Rauswurf viele Chinesen nervös gemacht. Gegen 10 Uhr morgens Pekinger Zeit hatte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am 15. März eine knappe Meldung verschickt, in der Bos Absetzung bekanntgegeben worden war. Seitdem haben die staatlichen Medien Bos Namen kaum erwähnt.

Im Internet wird umso eifriger diskutiert. Größter Unruheherd ist der Kurznachrichtendienst Weibo. Mehr als 300 Millionen Chinesen besitzen dort ein Konto. Sucht man bei Weibo aber nach Bos Namen, erhält man eine Fehlermeldung: "Aufgrund der geltenden Gesetze kann das Suchresultat nicht angezeigt werden." Die Spekulationen grassieren trotzdem.

Seit einigen Tagen macht das Gerücht die Runde, es habe Anfang der Woche einen Staatsstreich in China gegeben. Blogger berichteten, sie hätten den Aufmarsch der 38. Armee auf der Chang'an Avenue, einer zehnspurigen Straße im Herzen Pekings, beobachtet. Vor dem Gästehaus der Regierung wollen einige Chinesen schwerbewaffnete Militärfahrzeuge gesehen haben.

Im Kern geht es darum, dass der ehemalige Minister für Öffentliche Sicherheit, Zhou Yongkang, einen erfolglosen Militärputsch unternommen haben soll. Zhou ist derzeit die Nummer neun in der internen Parteihierarchie und gilt als ein Freund des gestürzten Bo Xilai. Als Indiz für Zhous Misserfolg führen viele Blogger an, dass Zhou in einem Einladungsschreiben des mächtigen Politik- und Rechtsausschusses nicht genannt wird - obwohl Zhou eigentlich der Chef des Gremiums ist.

Hochsensible Dokumente und Gerüchte um den nordkoreanischen Dikator

Seriös überprüfen lassen sich die Gerüchte nicht. Chinas Außenamtssprecher jedenfalls dementiert - mit wenig Erfolg. An der Börse stiegen die Kurse für Kreditausfallversicherungen chinesischer Staatsanleihen rasant. Genauso wie für viele Chinesen ist Chinas Politik für Investoren eine Black Box. Niemand weiß genau, was hinter den Mauern des Parteihauptquartiers geschieht.

Seit Anfang Februar reißen die Diskussionen im Internet nicht ab. Auslöser war die Verhaftung von Bos politischem Ziehsohn Wang Lijun. Der ehemalige Polizeichef von Chongqing hatte Anfang Februar versucht, im US-Konsulat in Chengdu politisches Asyl zu beantragen. Es heißt, er habe hochsensible Dokumente mitgebracht, die er den Diplomaten übergeben wollte. Wang übernachtete in der Vertretung, ergab sich aber dann der Polizei, die das Konsulat umstellt hatte.

Wenige Tage nach Wangs Festnahme wurde die Debatte im Internet kurzfristig von einem anderen Thema überlagert: Angeblich sei der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un bei einem Attentat in Peking ums Leben gekommen, hieß es in einigen Kurznachrichten. Vielleicht handel es sich um eine Nebelkerze der Internetpolizei. Solange es in China keine freie Presse gibt, dürfte auch das ein Rätsel bleiben.

© SZ vom 23.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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