CDU:Krise auf höchstem Niveau

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Aufruhr in der CDU nach dem Streit um den Familiennachzug: In der Kritik steht das Vorpreschen Thomas de Maizières - aber noch viel mehr die Art und Weise, in der das Kanzleramt den Innenminister düpierte.

Von Stefan Braun, Berlin

Sollte die CDU immer noch gehofft haben, die Flüchtlingskrise finde vor allem draußen vor der Tür statt, dann ist das mit diesem Wochenende Geschichte. Am Montagmorgen, bei den Sitzungen von Präsidium und Vorstand, zeigte sich überdeutlich, wie sehr die Probleme mit Hunderttausenden Flüchtlingen auch die Partei der Kanzlerin in Not bringen. Es ist zunächst Fraktionschef Volker Kauder, der mit Blick auf das vergangene Wochenende von einer mittleren Katastrophe redet. Und es folgt Bundestagspräsident Norbert Lammert, der diese Wertung korrigiert, indem er eine noch viel größere Katastrophe ausmacht. Gemeint sind nicht kritische Stimmen von außen, gemeint ist nicht die SPD und auch nicht der Seehofer Horst aus München. Gemeint ist das, was sich von Freitag bis Sonntag zwischen Kanzleramt und dem eigenen Bundesinnenministerium abgespielt hat.

Dabei ist für die meisten, so berichten es später mehrere Teilnehmer, das taktische Vorgehen von Innenminister Thomas de Maizière durchaus kritikwürdig gewesen. Dass er am Freitag mit der Begrenzung des Familiennachzugs für Syrer ein neues Thema aufbrachte, nachdem am Donnerstagabend in der Koalition mühsam Frieden erzielt worden war, bezeichnen viele abwechselnd als "ungeschickt" oder "taktisch unklug". Aber den noch größeren Ärger hat bei den meisten in der CDU-Spitze das Kanzleramt ausgelöst, weil es den eigenen Innenminister gleich doppelt düpierte.

Ein prominentes Kabinettsmitglied sagte der SZ am Montag, natürlich habe man am Donnerstabend eine Einigung in der Koalition erreicht, die Ruhe schaffen und ein bisschen Frieden bringen sollte. Natürlich sei de Maizières Vorpreschen also nicht clever gewesen. Aber dass ein immer noch wichtiger Minister wie der Minister des Innern vom Regierungssprecher per Twitter dementiert werde, sei "ein Unding". Und dass der Kanzleramtsminister Peter Altmaier am Sonntag noch einmal ein Interview gebe, um den Innenminister erneut in den Senkel zu stellen, sei "Nachtreten auf höchstem Niveau". Das, so der erfahrene CDU-Politiker, "darf sich nicht mehr wiederholen". Nun könnte man das als Einzelmeinung betrachten. Doch im Laufe des Montag kann man immer mehr Präsidiumsmitglieder der CDU treffen, die das genauso beschreiben. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, nebenbei CDU-Parteivize, sagt es im Bundesvorstand besonders deutlich: In der aktuellen Lage dürfe man den eigenen Innenminister auf keinen Fall derart schwächen wollen. Es ist lange her, dass Merkels wichtigster Mitspieler Altmaier eine derart deutliche Botschaft entgegennehmen musste.

De Maizières Linie soll umgesetzt werden: Möglichst schnell, dazu drängen viele in der CDU

Dabei geht es, auch das wird am Montag deutlich, längst nicht nur um politische Performance. Es geht sehr vielen in den Führungsgremien erst recht um den Inhalt. Beinahe unisono erklären fast alle in ihren Wortmeldungen zwar, dass für eine Partei mit dem C im Namen die Familie natürlich wichtig sei, im Grundsatz also gestützt werden müsse. Trotzdem sei es nun bitter nötig, beim Familiennachzug auch für Syrer Begrenzungen zu erreichen. So wie es am Sonntagabend Wolfgang Schäuble, quasi Stammesältester und jenseits der Kanzlerin wirkmächtigster Christdemokrat, schon vorgegeben hatte. "Wir müssen natürlich den Familiennachzug begrenzen", hatte Schäuble gesagt, "unsere Aufnahmekapazität ist nicht unbegrenzt."

Ziemlich genau diese Formulierung findet sich am Montag in einer Erklärung, hinter der sich auch die Kanzlerin einreiht. Die CDU werde den Familiennachzug begrenzen. Und dafür werde der Bundesinnenminister mit seinen Kollegen in den Ländern Gespräche einleiten. Ziel sei es nun, de Maizières Position durchzusetzen. Und weil die nächste Innenministerkonferenz erst für Anfang Dezember geplant ist, drängen viele in der CDU dazu, das Gespräch früher zu suchen. Das ist deutlich.

Am Montagabend sagte Angela Merkel bei einer Veranstaltung in Schwerin, sie hoffe, "wir kommen dabei auch zu einer einvernehmlichen Lösung".

CDU-Fraktionschef Volker Kauder, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Thomas de Maizière zu Beginn der CDU-Präsidiumssitzung. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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