CDU:Der Dauerläufer

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"Ich will Ministerpräsident dieses schönen Landes werden." Viele trauten den CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet den Sieg nicht zu. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Vor einigen Wochen lag Armin Laschet in den Umfragen klar zurück. Wie der CDU-Spitzenkandidat es schaffte, an Hannelore Kraft vorbeizuziehen.

Von Jan Bielicki

Noch 48 Stunden bevor die Wahllokale schlossen, wirkte Hannelore Kraft keineswegs so, als sehe sie ihre politische Zukunft in Gefahr. Gerade hatte sie ihre Wahlkampfrede in die wenigen Hundert Zuhörer vor dem Duisburger Theater abgefeuert, hatte SPD-Chef Martin Schulz, dessen Vorgänger Sigmar Gabriel und viele andere Parteifreunde in ihrer Reichweite umarmt und geherzt. Dann rockte die Kölsch-Band Brings, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin tanzte und sang, erst im Publikum mit Ehemann und Sohn, dann auch auf der Bühne, text- und rhythmussicher, ausgelassen und, so schien es jedenfalls, völlig gelöst: "Su lang mer noch am lääve sin ..." Heißt: Solange wir noch leben.

Dann, Sonntagabend 18.21 Uhr die bittere Einsicht: Hannelore Kraft tritt vor ihre Sozialdemokraten und übernimmt die volle Verantwortung für die Wahlniederlage - und versucht, den Schaden für die Bundespartei in Grenzen zu halten. Man habe den Wahlkampf ja mit landespolitischen Themen bestritten, darum habe sie die Genossen in Berlin "ausdrücklich gebeten", sagt Kraft unter dem trotzigen Jubel ihrer Anhänger. Sie trete mit "sofortiger Wirkung" als SPD-Landesvorsitzende und als stellvertretende Bundesvorsitzende zurück, "damit die SPD eine Chance auf einen Neuanfang hat".

Und wer es immer noch nicht verstanden hat bekommt wenig später noch mal klar die Botschaft: Die NRW-SPD werde sich neu aufstellen und zur Bundestagswahl wieder ein starker Gegner sein. Die letzten Umfragen vor der Wahl hatten bereits angedeutet, dass ihre Amtszeit nach sieben Jahren enden könnte. Kopf an Kopf lagen ihre SPD und die CDU ihres Herausforderers Armin Laschet darin, mal gleichauf, mal die Sozialdemokraten knapp vorne, ganz zuletzt aber die Christdemokraten. Auf einmal erschien das Rennen wieder völlig offen. Und das, nachdem Krafts SPD wenige Wochen zuvor alle Umfragen noch klar dominiert hatte. Doch vom Schulz-Effekt nach der Kür des neuen Bundesparteichefs, der die Werte der SPD auch in seinem Heimatland NRW in ungeahnte Höhen geliftet hatte, war nach den Wahlniederlagen im Saarland und in Schleswig-Holstein nichts mehr zu spüren.

Auch einige Parteifreunde haben Laschet nicht viel zugetraut, nun aber holt er den Sieg

Man werde "den Mann aus Würselen" schon noch stellen, hatte Laschet immer wieder behauptet, als er noch weit hinten lag. Es klang wie eine hohle Durchhalteparole, zumal der Oppositionsführer nur fünf Wochen vor der Wahl darüber räsonierte, gerne auch als Juniorpartner in eine große Koalition mit der SPD zu gehen. Sogar in der eigenen Partei wurde Gemurre hörbar über den zumeist leutselig auftretenden Mann aus Aachen, der stets treu an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel stand. Zu lasch, zu weich, zu schluderig lautete das Urteil mancher Parteifreunde aus dem eher konservativen Westfalen, die hinter den Kulissen bereits ein Scherbengericht über den Chef des größten CDU-Landesverbands vorbereiteten.

Doch in den letzten Wochen vor der Wahl, spätestens seit dem Auftritt aller Spitzenkandidaten im Fernsehsender WDR, attackierte Laschet - und Ziel seiner Angriffe war vor allem der Mann, der in der rot-grünen Koalition die Rolle des harten Hundes gab und nach der Silvesternacht von Köln die weiche Flanke der Regierung bildete: An ihrem Innenminister und engen politischen Vertrauten Ralf Jäger hat Kraft bis zuletzt festgehalten, trotz und womöglich wegen der Angriffe aus der Opposition. "Frau Kraft hält Herrn Jäger für großartig, wir halten ihn für ein Sicherheitsrisiko", wiederholte Laschet im Wahlkampf immer wieder. Und mochte seine Pose als Law-and-Order-Mann auch nicht wirklich zu ihm passen und er mit der Wahrheit zuletzt noch ein bisschen großzügiger umgehen, als im Wahlkampf üblich: Für diesen Satz konnte sich der CDU-Spitzenkandidat bei seinen Auftritten stets den lautesten Applaus abholen. Und immer natürlicher wirkte sein Anspruch, an den sogar seine eigenen Leute nicht mehr wirklich zu glauben schienen: "Ich will Ministerpräsident dieses schönen Landes werden." Am Sonntagabend zeichnete sich dann bald ab, dass das Ergebnis dies tatsächlich hergibt: Die CDU lag schon in den ersten Prognosen vor der SPD.

Die Steuerschätzung könnte helfen, Streitpunkte zwischen CDU und SPD abzuräumen

Laschet hatte ein breites Lächeln im Gesicht, als er kurz nach fünf die Düsseldorfer CDU-Zentrale betrat. Kurz winkte er den dort versammelten Parteifreunden zu, bevor er sich zurückzog. Es hatte nichts Triumphierendes an sich, das würde auch nicht zu dem Mann passen, der sich zu großen Gesten eher zwingen muss. Da wusste der CDU-Spitzenkandidat bereits um die guten Zahlen. Nach den ersten Prognosen um 18 Uhr brandete bei der CDU-Wahlparty dann Jubel auf. Wenig später tritt Laschet auf: Man habe beide Wahlziele erreicht: Rot-Grün zu beenden und stärkste politische Kraft im Land zu werden. Die Schärfe der letzten Wahlkampfwochen verbirgt, dass SPD und CDU auf vielen Feldern nicht so weit auseinanderliegen, als dass die Bildung einer großen Koalition allzu schwierig werden könnte. Denn darauf deutete am Abend vieles hin, es sei denn, es sollte doch noch für eine CDU-FDP-Koalition reichen. Das gilt auch für das Kampfthema innere Sicherheit. Mehr Polizisten auf der Straße haben sowohl CDU als auch die SPD versprochen. Auch darauf, der Polizei die rechtliche Möglichkeit zu geben, Personen verdachtsunabhängig zu kontrollieren, könnten sich die beiden vermutlich einigen. Die umstrittene Schleierfahndung gibt es schließlich auch in anderen SPD-regierten Ländern, in aller Schärfe abgelehnt wurde sie im Wahlkampf nur von Liberalen, Grünen und Linkspartei. Allein die Grünen waren es, die bisher verhinderten, dass NRW im Bundesrat dem Ansinnen der großen Koalition im Bund zustimmte, Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern für Asylbewerber zu erklären. In dem "100-Tage-Sofortprogramm", das Laschet am Freitag vorlegte, findet sich auch sonst wenig, was dem "NRW-Plan" der SPD unvereinbar entgegensteht. Mehr Lehrer versprechen beide, mehr Geld für Kitas und Schulen ebenfalls, bei der Inklusion förderbedürftiger Kinder in den Regelunterricht hat auch Kraft die Notwendigkeit eingestanden "nachzubessern". Und beide wollen das G 8 reformieren und weiter öffnen für das Abitur nach neun Jahren. Weitere Reibungsflächen könnte ein Schmiermittel glätten: Nach den neuesten Steuerschätzungen können das Land und seine Kommunen in den nächsten Jahren ein paar Milliarden mehr Einnahmen erwarten als bisher prognostiziert. Damit lässt es sich großzügiger verhandeln - Motto: Gib mir Geld für mein Lieblingsprojekt, geb ich dir Geld für deines.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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