Carles Puigdemont:Berliner Luft

Lesezeit: 2 min

Plausch in Berlin: Carles Puigdemont (links) im Gespräch mit dem neuen katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra. (Foto: Markus Schreiber/AP)

Der vormalige Regierungschef Kataloniens bleibt trotz Auslieferungsgesuchen seitens der Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein weiterhin in Deutschland.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Seit mehr als einem Monat ist Kataloniens vormaliger Regierungschef nun schon in Berlin, und es sieht so aus, als würde er noch eine Zeit lang dort bleiben. Zwar beantragte die Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein, den Auslieferungshaftbefehl gegen Carles Puigdemont wieder in Vollzug zu setzen, ihn also festnehmen zu lassen. Das Oberlandesgericht (OLG) in Schleswig wies den Wunsch jedoch am Dienstag zurück. Puigdemont bleibt auf freiem Fuß, er muss sich wie gehabt nur jede Woche bei der Polizei melden und darf Deutschland nicht verlassen.

Noch immer gilt die Anordnung vom 5. April. Damals hatten die Richter in dem norddeutschen Bundesland verfügt, die Auslieferungshaft des früheren Separatistenführers Puigdemont gegen Auflagen auszusetzen. Daraufhin wurde der Katalane aus dem Gefängnis von Neumünster entlassen, nachdem er am 25. März im Rahmen eines Europäischen Haftbefehls an der Autobahn A 7 nahe der dänischen Grenze in Gewahrsam genommen worden war. Eine erhöhte Fluchtgefahr sieht das OLG weiterhin nicht und widerspricht damit erneut dem Schleswiger Generalstaatsanwalt, der eher Spaniens Linie folgt.

Die spanische Justiz klagt Puigdemont wegen Rebellion und Veruntreuung an, der 55-jährige Politiker hatte als Ministerpräsident Kataloniens 2017 ein illegales Referendum für die Unabhängigkeit der Region vorangetrieben. Nachdem das Parlament in Barcelona die Unabhängigkeit ausgerufen hatte, wurden Puigdemont und sein Kabinett Ende Oktober 2017 von Spaniens konservativer Zentralregierung abgesetzt. Die Madrider Generalstaatsanwaltschaft erhob Anklage. Puigdemont setzte sich mit Mitstreitern nach Belgien ab und wurde in Schleswig-Holstein verhaftet, als er nach einer Vortragsreise in Finnland Richtung Brüssel fuhr. Seither wird in Deutschland um seine Zukunft gestritten, während Spanien Argumente nachreicht.

Kann Puigdemont ausgeliefert werden, weil er Staatsgeld missbraucht haben soll?

Zuletzt übermittelten die spanischen Behörden Fotos und Videos, die Gewalt während des Referendums beweisen sollen. "Die Ausschreitungen hatten ein solches Ausmaß, dass die Generalstaatsanwaltschaft davon ausgeht, dass auch wegen des Vorwurfs der Rebellion auszuliefern ist", erklärte jetzt der Generalstaatsanwalt in Schleswig. Nach deutschem Recht, so heißt es weiter, sei nicht nur eine Strafbarkeit wegen Hochverrats, sondern auch wegen Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall möglich. Das Oberlandesgericht Schleswig dagegen erkennt keinen Grund, seine Entscheidung vom 5. April zu revidieren und Puigdemont festsetzen zu lassen. Der Senat sehe "in dem Vorwurf der Rebellion nach wie vor nicht den Tatbestand des - nach deutschem Recht strafbaren - Hochverrats erfüllt". Auch eine Strafbarkeit wegen Landfriedensbruchs liege nicht vor, weil man die Auseinandersetzungen an einzelnen Wahllokalen "dem Verfolgten persönlich nicht zurechnen" könne.

Das OLG beruft sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall von Frankfurts Startbahn West, bei der anders als in Katalonien ausdrücklich zu tendenziell gewalttätigem Handeln aufgerufen worden sei. Ob Puigdemont ausgeliefert werden könnte, weil er Staatsgeld für den Unabhängigkeitsprozess missbraucht haben soll, wird noch erörtert. Inzwischen hat Katalonien immerhin einen Nachfolger gefunden, Puigdemonts Amt übernahm Quim Torra, auch er ein Freund separatistischer Ideen. Die beiden haben sich nach dessen Wahl vor einer Woche gleich getroffen - natürlich in Berlin.

© SZ vom 23.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: