Bundeswehr:Mit Augenmaß

Lesezeit: 2 min

Das Sondierungspapier von SPD und Union sieht nur bescheidene Investitionen in den Wehretat vor. Doch die Bundeswehr braucht mehr Mittel, um ihrem Auftrag, der Landesverteidigung, gerecht zu werden.

Von Joachim Käppner

Willy Brandt hat einmal über seine SPD den so schönen wie treffenden Satz gesagt: "Wir sind die Partei des donnernden Sowohl-als auch." Nach SPD-Dialektik ist es kein Widerspruch, als Regierungspartei im Jahr 2016 erst dem Nato-Ziel zuzustimmen, jedes Land des Bündnisses solle bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung investieren - und dann die Umsetzung des Ziels im Wahlkampf 2017 als "irre" (Außenminister Sigmar Gabriel) und als "Politik der Aufrüstung" (Parteichef Martin Schulz) zu verdammen.

Wegen dieses Widerspruchs ist es vielleicht nicht erstaunlich, dass sich die Sozialdemokraten jetzt nicht rühmen, sich beim Thema Wehretat im Sondierungspapier gegen die CSU durchgesetzt zu haben. Anders als diese zunächst mit einer Verve gefordert hatte, als wolle sie die Bayernhymne durch das Lied "Die Wacht am Rhein" ersetzen, sollen die Investitionen in die Bundeswehr bescheiden bleiben. Von den zwei Prozent ist keine Rede. Grob eine Milliarde mehr soll investiert werden, auf vier Jahre verteilt, heißt es stattdessen. Die übliche Floskel, man werde alles tun, um die Soldaten "bestmöglich zu schützen", will ja nur sagen: im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten.

Nun ist eine rasche Umsetzung des Zwei-Prozent-Ziels eine Illusion; um das zu erreichen, müsste der Verteidigungsetat um beinahe das Doppelte wachsen. Innenpolitisch wäre das niemals durchsetzbar und außenpolitisch nicht sinnvoll. Unvermeidlich würden die Spannungen mit Russland noch wachsen, wo Entspannung das Gebot der Stunde wäre und die Deutschen als Vermittler mehr bewirken können als durch derart massive Aufrüstung. Dessen ungeachtet ist es aber nicht falsch, den Etat der Bundeswehr zumindest in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels zu erhöhen - maßvoll zwar, aber auch nicht im Bonsai-Format des Sondierungspapiers.

Erstens tragen etliche Verbündete, voran die USA, wesentlich größere Verteidigungslasten - Propagandastoff für den Zündler im Weißen Haus. Zweitens ist die Bundeswehr nach Jahren der Reformen und des Sparens, wie es gern heißt, nur bedingt abwehrbereit. Es wäre zumindest notwendig, die bestehenden drei Divisionen, bei denen überall Lücken klaffen, wieder vollständig auszustatten. Denn die Konzentration auf Auslandseinsätze hat die Fähigkeit zum eigentlichen Auftrag, der Landesverteidigung, massiv beeinträchtigt. Der frühere Oberkommandierende der US-Armee in Europa, Ben Hodges, drückte das so aus: Er respektiere die deutschen Freunde sehr; noch besser wäre, sie hätten Hubschrauber, die wirklich fliegen können.

Es geht nicht um wildes Aufrüsten, sondern darum, Mindeststandards zu erfüllen

Die "Trendwende", die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen 2016 verkündet hatte, ist nötig und muss bezahlt werden. Hier ist das letzte Wort nicht gesprochen. Der von der alten großen Koalition erstellte Finanzplan bis 2021 sieht deutlich höhere Summen für die Verteidigung vor. Zwar bindet er eine neue Regierung nicht - aber er liefert einen Ansatzpunkt für Union und SPD, sich leicht zu einigen. Dabei geht es nicht um wildes Aufrüsten für einen neuen Kalten Krieg, das wäre das Letzte, was man sich wünscht, sondern um einen Mindeststandard: darum, dass die Bundeswehr glaubwürdig zur Abschreckung beiträgt und zugleich für UN-Missionen wie in Mali gerüstet ist - "bestmöglich" eben.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: