Bundeswehr:Ein Sanierungsfall

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Kampfflugzeuge müssen am Boden bleiben, U-Boote können nicht auslaufen, Soldaten nicht ausgebildet werden. Ursula von der Leyen klagt immer dringlicher über die Mängelliste der Truppe. Zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit stellt sich die Frage: Welche Verantwortung trägt die Ministerin?

Von Mike Szymanski

Wenn Kampfflieger am Boden bleiben, weil Ersatzteile fehlen oder auch Piloten; wenn U-Boote nicht auslaufen können, weil Reparaturen anstehen; wenn Panzergrenadiere nicht ausgebildet werden können, weil in ihrer Einheit keine Panzer zur Verfügung stehen - dann ist die Frage, welche Bundeswehr in Deutschland heute gebraucht wird, sehr einfach zu beantworten: diese jedenfalls nicht. Sie taugt nichts mehr.

Mit Ach und Krach schafft es Deutschland noch, Soldaten und militärisches Gerät für internationale Einsätze bereitzustellen. Den Bündnisverpflichtungen nicht nachzukommen, diese Blöße will sich in Berlin immerhin niemand geben. Zum Refrain einer satten verteidigungspolitischen Rede der Regierungsfraktionen im Bundestag gehört ja immer der Satz, Deutschland werde mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Nur, am Zustand der Truppe ist dieser Anspruch keineswegs abzulesen.

Es ist bitter, wenn Verteidigungsministerin von der Leyen zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit dieselbe Klage anstimmt wie zu Beginn ihrer ersten. Mittlerweile verfolgt sie sogar eine Strategie, die einer Kapitulation gleichkommt: Jede neue schlechte Nachricht über einen Mangel soll verdeutlichen, dass die Truppe nicht mehr kann. Es stellt sich damit immer dringlicher die Frage: Welchen Anteil hat die Ministerin daran, die doch 2013 angetreten ist, die Zustände zu verbessern?

Ursula von der Leyen bräuchte einen Notplan, um die größten Missstände zu beheben

Nach einer Amtszeit unter Ursula von der Leyen weiß die Öffentlichkeit zumindest, was alles nicht funktioniert in der Bundeswehr. Für Klarheit gesorgt zu haben, ist tatsächlich ein Verdienst der Ministerin. Aber behoben sind damit die Probleme noch lange nicht - und auch nicht durch von der Leyens Politik, die "Trendwenden" proklamiert, die dann nicht eingelöst werden. Im Grunde bräuchte die Ministerin jetzt eine Art Notplan, um die größten Missstände zu beseitigen. Anstatt schon wieder mit Frankreich Abkommen über die Entwicklung neuer Kampfflieger zu unterzeichnen, sollte sie rasch Material beschaffen, das auf dem Markt erprobt und verfügbar ist.

Sicher, die Ministerin muss ein Interesse daran haben, der deutschen und der europäischen Rüstungsindustrie nicht völlig die Grundlagen zu entziehen, indem sie andernorts einkauft. Aber die Bundeswehr ist in einem dermaßen desolaten Zustand, dass sie im Moment keine weiteren Experimente mehr verträgt.

Das gilt auch für den Umbau der Bundeswehr hin zur Stärkung der Landes- und Bündnisverteidigung, die von der Leyen jetzt in ihrer neuen Konzeption festschreiben möchte. In der Sache liegt sie richtig, denn eine Fokussierung allein auf Auslandseinsätze ist nicht mehr zeitgemäß. Die Form, wie die Ministerin den Umbau kommuniziert, ist jedoch fragwürdig: Mit einem Erlass - er würde genügen, um das Konzept in Kraft zu setzen - wird sie kaum die politische Unterstützung für dieses notwendige und sicher wieder sehr kostspielige Vorhaben bekommen.

Richtig, die Bundeswehr ist unterfinanziert. Zur Wahrheit gehört aber auch: Selbst wenn Finanzminister Olaf Scholz sofort alle ihre Wünsche erfüllen würde, könnte von der Leyen das Geld gar nicht auf die Schnelle ausgeben; das Management der Bundeswehr würde dies schlicht nicht schaffen. Die Truppe wird auf Jahre hinaus ein Sanierungsfall bleiben.

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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