Bundeswehr:Das G36 wird ausgemustert

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Wegen fehlender Treffsicherheit sieht Ministerin von der Leyen keine Zukunft für das Sturmgewehr. Sie will "mit Hochdruck" Ersatz beschaffen.

Von Laura Hertreiter, Berlin

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hält die Standardwaffe der Bundeswehr, das Sturmgewehr G 36, wegen massiver Probleme bei der Treffsicherheit für unbrauchbar. "Dieses Gewehr, so wie es konstruiert ist, hat in der Bundeswehr keine Zukunft", sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch nach der Sitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags. Bei einigen Truppenteilen in Einsatzgebieten werde man es "sofort austauschen". Derzeit sind bei der Truppe etwa 167 000 der Gewehre der Firma Heckler & Koch in Gebrauch.

Bereits vor mehr als drei Jahren waren Probleme mit der Treffsicherheit bekannt geworden, vor allem bei höheren Temperaturen. Wie aus internen Dokumenten hervorgeht, war der damalige Verteidigungs- und heutige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bereits im Frühjahr 2012 detailliert darüber informiert worden.

Seine Nachfolgerin von der Leyen gab im Juni 2014 ein neues Gutachten in Auftrag, ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt. Vor einer Woche wurde der Abschlussbericht veröffentlicht, in dem Experten dem G 36 ein verheerendes Zeugnis ausstellen. Demnach sinkt die Trefferquote bei extremer Erhitzung von den erforderlichen 90 auf nur sieben Prozent; ähnlich schlechte Ergebnisse gab es im Dauerfeuer.

Von der Leyen schloss nicht aus, dass der Ersatz statt einer neuen Waffe auch ein verbessertes G 36 sein könne. Wann das Mängel-Gewehr ausgemustert sein wird, ist unklar. Bei Spezialkräften und in Einsatzgebieten müsse "mit Hochdruck" Ersatz beschafft werden, sagte die Ministerin. Aber der gesamte Ersatz werde "sicherlich nicht binnen Jahresfrist gehen, sondern wird eine längere Zeit dauern". Das Bundesamt für die Ausrüstung der Bundeswehr geht von bis zu zehn Jahren aus.

Die Opposition wirft der Verteidigungsministerin vor, in der Affäre zu zaghaft vorzugehen. Grüne und Linke hatten in den vergangenen Tagen mit der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gedroht. Nachdem sich von der Leyen am Mittwoch in einer mehr als dreistündigen Sitzung den Fragen des Verteidigungsausschusses gestellt hatte, schien dies jedoch zunächst abgewendet zu sein. Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger kritisierte dennoch, die Ministerin habe viele Fragen offengelassen. "Wir werden in diesen Dingen nicht lockerlassen." Grüne und Linke wollen jetzt die Aufklärung im Verteidigungsausschuss fortsetzen.

Die offenen Fragen betreffen vor allem die Verantwortlichkeit dafür, dass man deutsche Truppen offenbar jahrelang wissentlich mit mangelhaften Waffen in Einsätze geschickt hat sowie Mängel nicht schneller ermittelt und behoben hat. Brugger sprach von "systematischer Vertuschung", der Linken-Abgeordnete Jan van Aken sagte, man habe vieles "heruntergespielt". Selbst Rainer Arnold von der SPD, Koalitionspartner der Ministerin, forderte: "Es muss geklärt werden, wer für die Ignoranz diesem Problem gegenüber verantwortlich ist." Linke und Grüne wollen auch de Maizière befragen. Der ließ am Mittwoch erklären, er plane nicht, sich zu der Sache zu äußern.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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