Bundestagswahl:Diskussionsstoff

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Echte Liebe? "Ich sage das ohne Ironie", sagt Horst Seehofer, bevor er Angela Merkel lobt. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

CDU und CSU versprechen Steuererleichterungen und Hilfen für Familien. Für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ist das Wahlpaket ein "Minimalprogramm zur Konfliktvermeidung innerhalb der Union".

Der Kanzlerkandidat der Konkurrenz konnte es kaum erwarten. Angela Merkel und Horst Seehofer hatten ihre Pressekonferenz gerade mal beendet, da meldete sich schon Martin Schulz zu Wort. Das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU sei "unseriös, ungerecht und auch unverantwortlich", kritisierte Schulz. Es sei "von Beratern und Demoskopen hektisch zusammengeschustert" worden und sei lediglich "ein Minimalprogramm zur Konfliktvermeidung innerhalb der Union". Die Pressekonferenz hatte Schulz offenbar am Fernsehen verfolgt, denn er zitierte wörtlich Seehofers Wort von einer "Fundgrube innovativer Ideen". Dass er die 76 Seiten des Programms auch schon in Gänze gelesen hatte, ist eher unwahrscheinlich.

Die Union will mit der Forderung nach Steuererleichterungen, neuen Hilfen für Familien sowie dem Versprechen, Polizei und Bundeswehr besser auszustatten, in den Wahlkampf ziehen. So soll der Spitzensteuersatz von 42 Prozent künftig erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 60 000 Euro greifen. Bisher liegt die Grenze bei 54 000 Euro. Den Solidaritätszuschlag von derzeit 5,5 Prozent will die Union vom Jahr 2020 an "schrittweise schnellstmöglich abschaffen".

Auch die FDP kritisiert das Programm. Sie hält es für mutlos und wenig ambitioniert

Besonderen Wert legt die Union auf Leistungen für Familien. Der Kinderfreibetrag soll in zwei Schritten an den Grundfreibetrag für Erwachsene angepasst werden. Um Gutverdiener dabei nicht zu bevorzugen, soll zugleich das Kindergeld erhöht werden, allein im ersten Schritt um 25 Euro monatlich. Darüber hinaus will die Union ein Baukindergeld "in Höhe von 1200 Euro je Kind und pro Jahr" einführen, um "junge Familien beim Erwerb von Wohneigentum" zu unterstützen. Es soll "über einen Zeitraum von zehn Jahren gezahlt werden". Beim ersten Kauf "selbstgenutzten Wohneigentums" soll es bei der Grunderwerbsteuer künftig Freibeträge für Erwachsene und Kinder geben. Für Kinder in Grundschulen soll ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung eingeführt werden.

Um den Mietanstieg in vielen Städten zu begrenzen, wollen CDU und CSU auch den Neubau steuerlich fördern, sie erhoffen sich dadurch 1,5 Millionen neue Wohnungen. Bundeswehr und die Polizei will die Union stärken. CDU und CSU verlangen 15 000 neue Polizisten im Bund und bei den Ländern. Das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben soll bleiben, die Bundeswehr also mehr Geld erhalten. Künftig soll aber für jeden Euro mehr für die Verteidigung auch ein Euro mehr für Entwicklungshilfe ausgegeben werden. Dies soll aber nur gelten, bis die Entwicklungshilfe 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht - zu dieser Quote hat sich Deutschland verpflichtet. Die Arbeitslosenquote will die Union bis 2025 unter die Drei-Prozent-Marke drücken, was der Definition von Vollbeschäftigung entspricht. In ihrem Wahlprogramm fordert die Union auch ein neues Gesetz, das die Zuwanderung von Fachkräften regeln und erleichtern soll.

Schulz kritisierte erneut, dass die Union kein konkretes Rentenkonzept vorlege. Merkel hatte gesagt, das 2007 von der großen Koalition beschlossene Rentengesetz schaffe im Bereich der gesetzlichen Rente Verlässlichkeit bis ins Jahr 2030. Für eine Einschätzung der Entwicklung in den Jahren danach wolle man eine Kommission einrichten. Wenn diese zu dem Ergebnis komme, dass im Bereich der privaten oder der betrieblichen Vorsorge früher etwas geschehen müsse, könne man darauf reagieren, so Merkel. Schulz hielt der Union dennoch eine "Verweigerungshaltung" vor.

Die FDP kritisierte das Programm der Union als unambitioniert und mutlos. "Bei den großen Herausforderungen unserer Zeit wie der Digitalisierung und der demografischen Entwicklung unserer Gesellschaft legt die Union nur Stückwerk vor. Da atmet das Unions-Programm weiter den Geist der großen Koalition", sagte FDP-Chef Christian Lindner. Er fügte hinzu: "Was die Ankündigung einer Entlastung der Mittelschicht der Union wert ist, haben die letzten Jahre gezeigt. Jeweils nach dem Wahltermin wollte die Union von mehr Fairness bei den Steuern nichts mehr wissen." Die jetzigen Formulierungen zur Entlastung ließen Ähnliches vermuten.

Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sagte, das Programm von CDU und CSU "nützt denen am wenigsten, die ohnehin schon wenig haben". Sie sehe zudem eine "große Leerstelle" beim Klimaschutz. Linken-Chefin Katja Kipping warf der Union vor, ein Wahlprogramm der "ungedeckten Schecks" vorgelegt zu haben. Wer Vollbeschäftigung verspreche, aber keine Investitionen vornehmen wolle, "belügt und betrügt die Wähler", sagte Kipping.

© SZ vom 04.07.2017 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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