Bundestag:Schäuble soll Parlamentspräsident werden

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Der 75-Jährige ist bereit, für das Amt zu kandidieren. Damit verschafft er der Kanzlerin Spielraum bei der Regierungsbildung - im Falle einer Jamaika-Koalition dürften FDP oder Grüne das Finanzministerium fordern.

Von Nico Fried, Berlin

Seit 1972 gehört Wolfgang Schäuble bereits dem Deutschen Bundestag an, nun soll er dem Hohen Haus als Präsident erstmals vorsitzen. (Foto: François Lenoir/Reuters)

Drei Tage nach der Bundestagswahl hat die Union eine wichtige Personalentscheidung auf den Weg gebracht: Der bisherige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble soll neuer Bundestagspräsident werden. Der 75-jährige CDU-Politiker würde damit Nachfolger von Norbert Lammert werden, der nach 37 Jahren als Abgeordneter und davon zwölf Jahren als Bundestagspräsident nicht mehr für das Parlament kandidiert hatte. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) kündigte am Mittwoch an, er werde gemeinsam mit Alexander Dobrindt, dem neuen CSU-Landesgruppenchef, Schäuble auf der nächsten Sitzung der Unionsfraktion am 17. Oktober für das Amt vorschlagen. Schäuble habe sich bereits zur Kandidatur bereit erklärt.

Die Entscheidung für Schäuble erweitert den Spielraum von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Regierungsbildung sowohl in den eigenen Reihen als auch gegenüber möglichen Koalitionspartnern. Im Falle einer Jamaika-Koalition gilt es als wahrscheinlich, dass FDP oder Grüne Anspruch auf das Finanzministerium erheben. Im Umfeld Merkels wurde aber Wert auf die Feststellung gelegt, dass es sich um eine Entscheidung für Schäuble als Bundestagspräsidenten und nicht gegen Schäuble als Finanzminister handele. Merkel hatte erst vor wenigen Tagen aus Anlass von Schäubles 75. Geburtstag ausdrücklich auch dessen Verdienste als Parlamentarier in 45 Jahren Bundestagszugehörigkeit gewürdigt. Schäuble habe zuerst als Parlamentarischer Geschäftsführer, später als Vorsitzender der Unionsfraktion zwar nicht immer alle Sympathien erworben, aber stets Respekt und Anerkennung.

Dem Amt des Bundestagspräsidenten wird in der neuen Legislaturperiode auch wegen des Einzugs der AfD besondere Bedeutung zugemessen. FDP-Chef Christian Lindner hat der Union bereits die Unterstützung seiner Fraktion zugesichert. "Als herausragende Persönlichkeit verfügt Wolfgang Schäuble über eine natürliche Autorität, die an der Spitze des Deutschen Bundestages in diesen Zeiten von besonderer Bedeutung ist", sagte Lindner. Der CDU-Politiker werde dem Parlament nach außen Geltung verschaffen "und nach innen seine Würde wahren". Auch die SPD signalisierte Zustimmung. Deren neuer Parlamentarischer Geschäftsführer Carsten Schneider nannte Schäuble eine respektable Persönlichkeit. Als Kandidat für das von der SPD zu besetzende Amt des Vizepräsidenten gilt der bisherige Fraktionschef Thomas Oppermann. Die Grünen äußerten sich zunächst nicht.

Die konstituierende Sitzung des Bundestages muss bis zum 24. Oktober stattgefunden haben. Schäuble ist bisher als Alterspräsident vorgesehen. Der bisherige Bundestag hatte vor der Sommerpause mit Blick auf den erwarteten Einzug der AfD noch eine Änderung der Geschäftsordnung beschlossen, wonach nicht mehr das älteste Mitglied des neuen Bundestages die erste Sitzung leiten soll, sondern der Abgeordnete mit den meisten Jahren Parlamentszugehörigkeit. Weil Schäuble nun seine eigene Wahl zum Bundestagspräsidenten leiten müsste, wird erwartet, dass er dem FDP-Politiker Hermann Otto Solms den Vorsitz überlassen wird.

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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