Bundestag:Kalkulierte Entgleisung

Die AfD provoziert mal wieder - und die Kanzlerin bleibt allzu still.

Von Ferdos Forudastan

Endlich! würde man gerne ausrufen, endlich haben CDU, CSU und SPD in der Haushaltsdebatte des Bundestages einmal aufblitzen lassen, dass sie sich hier und da doch unterscheiden. Sie haben etwa in der Diskussion über Rüstungsausgaben oder den Umgang mit Flüchtlingen gezeigt, dass sie zwar einer Koalition angehören, aber dennoch nicht immer einer Meinung sind. Und damit haben sie sich ein klein wenig gegen das Bild vom schwarz-roten Einerlei gestemmt, das viele Bürger verdrießt.

Leider stand dann aber ein Auftritt im Vordergrund dieser Sitzung, der mit Streit in der Sache nichts, mit Diskriminierung und Menschenverachtung jedoch sehr viel zu tun hat. Dass Alice Weidel, die Fraktionsvorsitzende der AfD, unter anderem Kopftuchträgerinnen als "Taugenichtse" verunglimpfte, wird ihr nicht nur den Beifall von Muslimhassern und Rassisten eintragen. Die sicher präzise kalkulierte Entgleisung absorbierte auch die Aufmerksamkeit weiterer Redner - und schmälerte die Aufmerksamkeit für sie.

Gut, dass der Bundestagspräsident Weidel umgehend rügte; gar nicht gut, dass die Kanzlerin sie ignorierte. Gewiss muss Angela Merkel nicht auf jede Provokation der AfD reagieren. Aber wann sollte eine Regierungschefin ihr Wort erheben, wenn nicht dann, wenn Menschen verhetzt werden?

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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