Bundespräsidentenwahl:NPD-Propaganda auf Bundestagsseite

Der Bundestag stellte Propaganda-Zitate über den Präsidentschaftskandidaten der NPD, Frank Rennicke, auf die Homepage - ein Fauxpas mit Folgen.

Bernd Oswald

In der Öffentlichkeit ist es kaum bekannt, aber bei der Bundespräsidentenwahl am 23. Mai gibt es vier Bewerber. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht das einigermaßen spannende Duell zwischen CDU-Amtsinhaber Horst Köhler und SPD-Kandidatin Gesine Schwan. Im Oktober 2008 warf der Schauspieler Peter Sodann seinen Hut in den Ring, er kandidiert für die Linke.

Bundespräsidentenwahl: Der rechtsextreme Sänger Frank Rennicke bei einem Auftritt beim Politischen Aschermittwoch der "Bürgerinitiative Ausländerstopp" 2008 in München. Im Hintergrund ein Plakat mit der Aufschrift: "Kriminelle Ausländer raus".

Der rechtsextreme Sänger Frank Rennicke bei einem Auftritt beim Politischen Aschermittwoch der "Bürgerinitiative Ausländerstopp" 2008 in München. Im Hintergrund ein Plakat mit der Aufschrift: "Kriminelle Ausländer raus".

(Foto: Foto: Robert Haas)

Anfang April kam schließlich noch der vierte Kandidat hinzu: der rechtsextreme Liedermacher Frank Rennicke, der als gemeinsamer Kandidat von NPD und DVU antritt - auch wenn das "nicht auf meinen Wunsch" erfolgte, wie Rennicke der NPD-Zeitung Deutsche Stimme sagte. Nun kandidiert er paradoxerweise für das höchste Amt des Staates, den er "nur als Inbegriff für Intoleranz, Gesinnungsjustizapparat und ehrenhaften Zeitgeist" erlebt habe, wie er weiter ausführte.

Rennicke ist bekennender Verehrer von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß und ist wegen seiner nationalistischen Lieder eine Kultfigur in der rechtsextremen Szene. Der Vater von sechs Kindern versucht jugendlichen Nachwuchs für die NPD zu gewinnen und wirkte maßgeblich an den "Schulhof-CDs" der Partei mit.

Auch der Bund muss sich offiziell zu der Kandidatur verhalten - und kam prompt in die Bredouille: Am Mittwoch veröffentlichte der Bundestag auf seiner Internetseite zur Bundespräsidentenwahl eine Biographie des Neonazis, in der Rennicke als "jüngerer Bewerber für das Amt des Bundespräsidenten" und "nationaler Barde" präsentiert wird, der "eine moderne, national-alternative Opposition getreu Artikel 20 des Grundgesetzes" verkörpere, "unbequem, nicht angepasst und volksnah".

Die Online-Redaktion des Bundestags hatte den Beitrag selbst verfasst und dabei unter anderem auf eine "Selbstdarstellung des Kandidaten" zurückgegriffen, wie eine Pressesprecherin des Parlaments sueddeutsche.de mitteilt. Eine Distanzierung sei dadurch erfolgt, dass die Original-Zitate in indirekte Rede gesetzt worden seien: "Das zeigt, dass wir uns den Inhalt nicht zu Eigen machen", so die Sprecherin weiter. Ob das bei den Nutzern der Seite auch so ankommt?

Thierse schaltet Lammert ein

Die NPD reagierte erfreut, widmete der staatlichen Rennicke-Präsentation sogar einen Link auf die "Netzseite" des Bundestages, wie die Website in der nationalistischen Nomenklatur im krampfhaften Versuch, Anglizismen zu vermeiden, heißt.

Als Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) von dem Vorgang erfuhr, handelte er prompt: "Der Bundestag darf nicht zulassen, dass er als Propagandainstanz der NPD missbraucht wird", mahnte Thierse laut Tagesspiegel und beschwerte sich bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Auf Lammerts Intervention hin wurde der Eintrag zu Rennicke am Mittwochnachmittag gelöscht und durch eine kurze Mitteilung biographischer Daten des Neonazis ersetzt. Auch die stehen in indirekter Rede - im Gegensatz zu den Porträts von Köhler, Schwan und Sodann - wie die Bundestagssprecherin betont.

Dennoch ist die Posse ein publizistischer Erfolg für den Neonazi, nachdem er schon vergangenes Jahr einen juristischen errungen hatte: Wie erst jetzt bekannt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht im März 2008 Rennickes aus dem Jahr 2000 stammende Verurteilung wegen Volksverhetzung weitgehend aufgehoben.

Das Amtsgericht Böblingen hatte ihn damals vor allem wegen seines "Heimatvertriebenen-Liedes" verurteil, in dem Rennicke singt: "Amis, Russen, Fremdvölker raus - endlich wieder Herr im eigenen Haus." Die Verfassungsrichter befanden, Rennicke sei in seiner Meinungsfreiheit verletzt, das Landgericht Stuttgart muss nun neu über den Fall verhandeln.

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