Bundesgerichtshof:Eltern müssen schwerkranke Kinder behandeln lassen

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Der Bundesgerichtshof bestätigt die Haftstrafe für ein Paar, das seinen Jungen nicht schulmedizinisch behandeln ließ, obwohl der damals Zwölfjährige an Mukoviszidose litt.

Von Katja Auer, Karlsruhe/Nürnberg

Eine Mutter und deren Partner müssen drei Jahre ins Gefängnis, weil sie ihren Sohn trotz seiner schweren Krankheit nicht ärztlich behandeln ließen. Der Mann aus Franken wurde als "Guru von Lonnerstadt" bekannt, er lehnt die Schulmedizin weitgehend ab. Das Paar habe seine Pflicht versäumt, dem damals zwölfjährigen Jungen die notwendige medikamentöse, therapeutische und ärztliche Behandlung seiner Mukoviszidose zukommen zu lassen, teilte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am Dienstag mit. Der BGH verwarf damit die Revision des Paares. Damit ist das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth rechtskräftig, das die beiden vor einem Jahr wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen zu jeweils drei Jahren Haft verurteilt hatte. Die beiden hatten sich zu Unrecht angeklagt gesehen. Schließlich habe es dem Kind freigestanden, einen Arzt aufzusuchen oder Medikamente zu nehmen, argumentierte die Mutter. Das Landgericht hatte das allerdings nicht gelten lassen und ihr Verhalten und das ihres Lebensgefährten als "bedingt vorsätzliches Quälen durch Unterlassen" gewertet. Der Minderjährige habe die Dimension seiner angeblich freien Entscheidung nicht überblicken können. Die Eltern hätten ihn "notfalls auch gegen seinen Willen" mit Medikamenten versorgen und ihn zum Arzt schicken müssen. Stattdessen hatten sie ihm die notwendige Hilfe gar nicht oder nur unzureichend zur Verfügung gestellt.

Die 49 Jahre alte Frau war 1999 mit ihren drei Kindern zu dem Mann gezogen, der sich selbst vor Gericht einen "Lehrer der zeitlosen Weisheit" nannte. Zu seiner Weltanschauung gehört es, weitgehend ohne Schulmedizin auszukommen. Er selbst lebte mit einem nichtoperierten Leistenbruch. Dem Sohn seiner Freundin sagte er, dass er von seiner schweren Krankheit geheilt werden könne, wenn er nur regelmäßig meditiere und faste. Dann sei er spätestens mit 18 Jahren gesund.

Dabei sei sowohl dem Guru als auch der Mutter bekannt gewesen, dass der Bub von Kindheit an an Mukoviszidose litt. Bei der Krankheit, die auf einem Gendefekt beruht, verstopft zähflüssiger Schleim lebenswichtige Organe. Die Krankheit ist nicht heilbar, kann aber mit Medikamenten gut behandelt werden. Auch der Junge nahm seine Medizin, bevor er zum neuen Freund der Mutter zog. Als er von dort nach drei Jahren zu seinem leiblichen Vater flüchtete, wog er nur noch 30 Kilo, und seine Lunge war irreparabel geschädigt. Inzwischen ist er 28 Jahre alt und immer noch von der Krankheit gezeichnet, obwohl er sich mittlerweile erholt hat. Kurz vor der Verjährung hatte er Klage gegen die Mutter und ihren Freund eingereicht.

Als Kind sei er froh gewesen, als ihm der Guru gesagt habe, dass er keine Medikamente mehr nehmen müsse, sagte der junge Mann vor Gericht. Er sei vorher sehr oft in der Klinik gewesen und habe sich gefreut, dass dies vorbei sei. Dann allerdings ging es ihm immer schlechter. Er hatte permanent Kopfschmerzen und bekam bei der kleinsten Bewegung kaum noch Luft und magerte ab.

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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