Brüssel:Einig nur beim Grenzschutz

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Die EU baut Frontex aus. Und scheitert nach wie vor an der gerechten Verteilung der Flüchtlinge.

Von Thomas Kirchner, Bratislava

Nur fünf Monate hat es gedauert, bis sich die EU auf eine europäische Grenz- und Küstenwache verständigt hat. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Slowakei die Ratspräsidentschaft übernommen hat, könnte man mit etwas bösem Willen sagen. Denn nach den Niederlanden zieht nun ein Land die Fäden in der EU, das kaum Flüchtlinge aufnimmt und gegen den Plan, 120 000 Schutzbedürftige in Europa zu verteilen, vor den Europäischen Gerichtshof gezogen ist. Beim Treffen mit seinen Kollegen in Bratislava beteuerte der slowakische Innenminister Robert Kaliňák am Donnerstag, seine Regierung werde auftragsgemäß "gute Kompromisse" in dieser Frage erarbeiten. Von der Idee einer "flexiblen Solidarität" ist nun die Rede, von Lösungen, die nicht alle über einen Kamm scheren, sondern auf die "unterschiedlichen Bedürfnisse" der Staaten - lies: vor allem der Osteuropäer - eingehen. Als Beispiel für Flexibilität führt Kaliňák an, dass sich die Slowakei um einige hundert Flüchtlinge kümmert, die in Österreich Asyl beantragt haben. Zuoberst auf der Liste der wichtigsten Punkte rangiert bei Kaliňák aber die Rückführung abgelehnter Flüchtlinge. Bei der schleppenden Umverteilung wird somit vorerst wohl nichts vorangehen. "Manchmal kriecht Europa", stöhnte der luxemburgische Minister Jean Asselborn, der Ungarns Regierung ins Visier nahm, die im Oktober ihr Volk zur Flüchtlingsaufnahme befragen will: "Stellen wir uns vor, jedes Land in Europa würde dasselbe tun, dann können wir den Laden zumachen, was die Werte angeht."

Über die Aufnahme abstimmen? "Dann können wir den Laden zumachen, was Werte angeht."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte Sorge über die Zahl der Toten auf der Mittelmeerroute. Im Verhältnis zu Libyen sprach er sich für die "Methode Türkei" aus: "Illegale durch legale Wege ersetzen", auch wenn es dort schwieriger sei. Zusätzlich schlug der Minister vor, in Nordafrika zusammen mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk Aufnahmezentren einzurichten. Dorthin könnten etwa aus dem Meer gerettete Flüchtlinge gebracht werden. Schutzbedürftige bekämen Asyl in Europa, die anderen müssten zurück in die Heimat. Wie europäische Prüfstandards in den Lagern gewährleistet werden können, sagte der Minister nicht.

Eine gemeinsame Linie ist in den meisten Fragen kaum erkennbar. Umso mehr wurde in Bratislava der Erfolg beim Grenzschutz gefeiert. Nach dem Votum im EU-Parlament ist das Projekt politisch nun unter Dach und Fach. Bald stehen 1500 Grenzschützer aus der ganzen EU bereit, wenn ein Mitgliedstaat um Hilfe ruft. Die Intervention darf dem Staat zwar nicht mehr, wie ursprünglich geplant, aufgezwungen werden. Als Sanktion kommt aber in Betracht, das Land de facto aus dem Schengen-System auszuschließen. Frontex wird zu einer EU-Agentur ausgebaut, erhält deutlich mehr Personal und neue Aufgaben. Unter anderem hilft sie mit schnellen Eingreifteams bei der Rückführung. Die Grüne Ska Keller protestiert, aus Frontex werde eine "Abschottungs- und Abschiebeagentur".

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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