Brexit:Zuflucht beim Feind

Theresa May sucht ausgerechnet bei der EU-Kommission Hilfe.

Von Daniel Brössler

Die Ehrpussligkeit gehört nicht zu den in ausreichender Zahl vorhandenen Schwächen der britischen Premierministerin. Das Ziel der Theresa May bei den Brexit-Verhandlungen mag unklar sein, aber auf dem Weg dahin ist sie zu fast jeder Selbstverleugnung bereit. Wenige Tage vor dem EU-Gipfel hat sie dies zum Dinner mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geführt. Zum Anführer jener gesichtsloser Bürokraten also, die laut britischer Brexit-Presse der Feind sind. Es sagt viel über Mays Lage aus, dass sie ausgerechnet in Junker einen Verbündeten sucht.

Zu tun hat das damit, dass sich eine der Grundannahmen, mit denen die britische Regierung in die Brexit-Verhandlungen gegangen ist, als falsch erwiesen hat. Sie ging davon aus, dass es gelingen würde, durch gute Kontakte in EU-Hauptstädte die vermutete harte Haltung der EU-Kommission aufzuweichen. Nun müssen die Briten erleben, dass sie in Berlin, Paris und anderswo mitunter auf größere Härte stoßen als in Brüssel. Unisono bestehen die EU-Staaten darauf, dass die Briten ihre Rechnung bezahlen, bevor sie gehen.

Diesem Verhandlungsauftrag folgt auch die EU-Kommission. Junckers Chefunterhändler Michel Barnier sendet zwischendurch durchaus konziliante Signale. Mit den Briten verbindet ihn ein Interesse: Auch für seine eigene Zukunft - womöglich als Junckers Nachfolger - will er den Erfolg. Dafür braucht er einen Deal.

© SZ vom 18.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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