Brexit:"Verklagen Sie die EU"

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Golfspielen? Aber sicher! Umringt von Leibwächtern und hinter einem Kordon von Polizisten entspannt sich US-Präsident Trump in seinem Luxus-Ressort in Schottland. (Foto: Leon Neal/Getty Images)

Bei seinem Besuch in London hatte Trump Vorschläge für Theresa May dabei. Die Lage der Premierministerin wird immer prekärer.

Von Cathrin Kahlweit

Theresa May hat das Geheimnis gelüftet, was der US-Präsident ihr für die Brexit- Verhandlungen mit auf den Weg gegeben hat. Donald Trump hatte während seines Großbritannienbesuchs darauf hingewiesen, dass er May Tipps für einen guten Deal mit Brüssel gegeben, sie diese aber nicht befolgt habe. Sein Ratschlag sei ihr wohl zu "brutal" gewesen. Die Premierministerin berichtete nun am Sonntag im BBC-Interview, Trump habe ihr geraten: "Verklagen Sie die EU."

Was er damit genau gemeint habe, fragte der Moderator erstaunt - weswegen verklagen, auf welcher Basis? May mochte sich nicht zu einer Exegese von Trumps Einlassungen verführen lassen. Er habe, fügte sie stattdessen schnell hinzu, auch noch gesagt, sie solle auf keinen Fall die Verhandlungen abbrechen.

Der zweite Ratschlag des Präsidenten passt sichtlich mehr ins Konzept von May, die eine unglaubliche Woche hinter und eine schwere Woche vor sich hat. Noch bevor Land und Parlament in etwa zehn Tagen in die Sommerferien gehen, dürfte das griechische Drama, das sich rund um ihre Regierung und die Frage eines - je nach Sichtweise - richtigen oder falschen - Brexit vollzieht, seinem Höhepunkt zutreiben. Auch wenn Trump bei der Pressekonferenz auf Mays Landsitz versuchte, freundlich zu sein, so hat seine massive Kritik im Vorfeld des Arbeitsbesuchs die Premierministerin doch nur weiter geschwächt.

Denn sein Angriff hat auch die letzten, bislang noch vorsichtigen Fans eines harten Brexit aus der Kulisse hinaus und auf die Vorderbühne getrieben. May sah sich deshalb am Sonntag genötigt, die gesamte Nation in einem Zeitungsinterview, via Facebook und im Fernsehen zu umwerben. Sie werde in Brüssel hart verhandeln und sich nicht auf weitere, weitreichende Kompromisse einlassen, sagte sie; und das, was sie wolle, sei das Beste, was das Land bekommen könne, wenn man Jobs sichern und den Frieden in Irland wahren wolle. Die massive Gegenwehr aber, der sie sich im gegnerischen, vielmehr aber noch im eigenen Lager ausgesetzt sehe, könne zum Abbruch aller Verhandlungen führen. "Unterstützt mich, oder es wird vielleicht gar keinen Brexit geben", drohte die Premierministerin.

Ex-Außenminister Boris Johnson dürfte an diesem Montag mit May abrechnen

Wie sehr sie unter Druck ist, war am Wochenende, als der US-Präsident längst beim Golfen in seinem schottischen Luxusresort Turnberry weilte, auch in den britischen Zeitungen zu lesen. Die waren diesmal noch etwas bunter und expliziter als sonst: Euroskeptische Boulevardblätter sprachen von Mays "Brexit-Lüge" und davon, dass May das Weißbuch, das in Chequers vom Kabinett beschlossen worden war, "hinter dem Rücken" der zuständigen Politiker habe schreiben lassen. May habe sich "von der EU demütigen" lassen, ihr ganzes Vorgehen sei ein "Verrat am Brexit".

Und genauso geht es jetzt weiter. An diesem Montagmorgen wird die neugierige Nation nicht nur die erste Kolumne des zurückgetretenen Außenministers und May-Gegners Boris Johnson im Telegraph lesen, der seine Karriere, wie selbst Kollegen einräumen, als ein eher dem Effekt als der Wahrheit verpflichteter Journalist begonnen hatte. Außerdem will Johnson an diesem Montag eine "Abschiedsrede" im Unterhaus halten, die wohl in eine Abrechnung ausarten und nach allseitiger Vorausahnung dann in einer Herausforderung an May im Kampf um ihren Posten kulminieren wird. Hatte nicht auch schon Donald Trump vor einigen Tagen in seinem schnell legendären Sun-Interview gesagt, er finde, sein Freund Johnson gäbe einen großartigen Premier ab?

Nicht nur persönliche, sondern auch juristische Kämpfe dürften aber in der kommenden Woche ausgefochten werden, die es in sich haben. Denn das Unterhaus wird über die Trade Bill beraten, ein Handelsgesetz, in das die Brexiteers einige Fesseln für May hineinschreiben lassen wollen. Mehrere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Die einen sollen dazu führen, dass sich Großbritannien dauerhaft in einer Zollunion mit der EU wiederfindet. Die anderen, die May wohl mehr ängstigen und aus der harten Brexit-Ecke um Jacob Rees-Mogg kommen, sollen Mays aktuellen Vorschlag zu einem "Zoll-Arrangement", nach dem das Königreich auch für die EU Zölle kassieren würde, unmöglich machen. Selbst wenn die EU zustimmen würde.

May berief sich daher zum Schluss ihrer medialen Sonntags-Offensive sogar freiwillig auf Trump: Der habe gesagt, sie sei eine harte Verhandlerin. In britischen Wettbüros setzen allerdings immer mehr Glücksritter darauf, dass es nicht mehr Theresa May sein wird, die den Brexit ausverhandelt.

© SZ vom 16.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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