Brasilien:Vom Gemauschel genug

Politiker sind den Brasilianern pauschal verdächtig.

Von Sebastian Schoepp

Brasilien ist gespalten. Zwar wiegen die Vorwürfe gegen Präsidentin Dilma Rousseff schwer, und ihre Gegner sind in der Überzahl. Doch neue, machtvolle Demonstrationen von Anhängern der Regierung haben gezeigt, dass die Sache so eindeutig nicht ist, wie es die umsturzlüsterne Opposition gerne darstellen möchte. In der Tat ist es nicht ganz einfach, derzeit in Brasilien Gut und Böse auseinanderzuhalten.

Da ist eine Präsidentin, gegen die ein Amtsenthebungsverfahren läuft und der zahlreiche Skandale nachgesagt werden. Das Verfahren angestrengt aber hat ein Parlamentspräsident, gegen den selbst ermittelt wird; im Ausschuss, der die Vorwürfe prüfen soll, sitzt ein halbes Dutzend Abgeordnete, die ebenfalls der Korruption verdächtig sind. Da verwundert es nicht, dass die Opposition von der Unzufriedenheit im Volke kaum profitiert. Der Unmut der Mehrheit richtet sich gegen die gesamte politische Klasse.

Das ist brandgefährlich in einer Zeit, in der der Gigant wirtschaftlich taumelt. Andererseits ist es die Chance für einen Neubeginn. Längst ist eine Generation Brasilianer herangewachsen, die das früher endemische Gemauschel der Clans und Cliquen nicht mehr als naturgegeben hinnehmen will, die Transparenz und saubere Staatsführung fordert. Doch der Prozess, bis ein modernes Politikverständnis an den Schaltstellen der Macht ankommt, wird lang und schmerzhaft sein.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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