Brasilien:Staatsstreich des Parlaments

Das Impeachment gegen Ex-Präsidentin Dilma Roussef ist eröffnet. Und es stinkt zum Himmel.

Von Boris Herrmann

Die Welt blickt auf die Spiele in Rio, und gleichzeitig wird in der Hauptstadt Brasília mit der Demokratie gespielt. Schwer zu sagen, welches der Spiele schmutziger abläuft. In beiden Fällen gewinnt eine korrupte Altherren-Riege. Bei Olympia verliert der Sport, beim Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff die Demokratie in Brasilien.

Rousseff wurde vor knapp zwei Jahren von gut 54 Millionen Brasilianern direkt gewählt. Sie war keine gute Präsidentin, aber schlechte Regierungsarbeit rechtfertigt kein Impeachment. Das sagt der Menschenverstand. Und das sagt auch die brasilianische Verfassung. In einer gefestigten Demokratie müsste das Volk bei der nächsten Wahl ein Urteil fällen. So lange wollten Rousseffs Gegner aber nicht warten. Angeführt vom Interimspräsidenten Michel Temer führten sie deshalb einen politischen Prozess, den sie als legitimes juristisches Verfahren verkleidet haben.

Temer ist offenbar fast jedes Mittel recht, um ohne Wählerauftrag an die Macht zu gelangen. Ein Amtsenthebungsverfahren wäre in Brasilien verfassungskonform, wenn der Präsidentin ein schweres Verbrechen nachgewiesen werden könnte. Im Fall von Rousseff bemühen sich die Ermittler seit Jahren vergeblich um diesen Nachweis. Im Fall von Temer sind sie offenbar fündig geworden - ohne dass dies bisher Konsequenzen hat. Das ist der tiefere Zynismus bei diesem parlamentarischen Staatsstreich.

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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