Brasilien:Korruptionsskandal erreicht Brasiliens Präsidenten

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Michel Temer, 76, war daran beteiligt, seine Vorgängerin Dilma Rousseff durch Korruptionsvorwürfe zu stürzen. Nun ist er wohl selbst in einen Großskandal verwickelt. (Foto: Eraldo Peres/dpa)
  • Brasiliens amtierendem Präsident Temer steht wegen eines Korruptionsskandals in der Kritik.
  • Er soll geholfen haben, den früheren Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha mit Geldzahlungen zum Schweigen zu bringen.
  • Cunha selbst sitzt wegen Korruption im Gefängnis, womöglich fühlte er sich von Temer im Stich gelassen.

Von Anna Dreher, München

Vor einer Woche war es Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der mit einer Comeback-Ankündigung Schlagzeilen machte, er wolle wieder als Präsidentschaftskandidat antreten. Nun ist es der amtierende Präsident Michel Temer, der für Aufregung im derzeit ohnehin unruhigen Land sorgt: Der 76-Jährige soll dabei geholfen haben, mit Geldzahlungen einen Mitwisser in einem Korruptionsskandal zum Schweigen zu bringen.

Medienberichten zufolge handelt es sich um den inhaftierten früheren Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha. Beteiligt sein soll ein Konzern, gegen den im Rahmen des größten Korruptionsskandals des Landes ermittelt wird. In der Hauptstadt Brasilia war nach dem Auftauchen von angeblich belastenden Tonaufnahmen von einer "Bombe" die Rede. Es hieß, diese Vorwürfe könnten Temer zu Fall bringen.

Das Treffen zwischen Unternehmern und Temer Anfang März wurde von der Präsidialkanzlei bestätigt, jedoch habe Temer niemals Bestechungsgeld an Cunha vorgeschlagen oder genehmigt. Temer selber sprach am Donnerstag von einer "Verschwörung" und lehnte einen Rücktritt ab. "Ich habe das Schweigen von niemandem erkauft." Der konservative Politiker forderte eine rasche Untersuchung und kritisierte, dass er abgehört worden sei. Das Oberste Bundesgericht genehmigte am Donnerstag Ermittlungen gegen den Präsidenten wegen Korruption, wie die amtliche Nachrichtenagentur Agencia Brasil meldete. Cunha hatte das Amtsenthebungsverfahren gegen Temers Vorgängerin Dilma Rousseff eingeleitet. Im Herbst wurde er verhaftet; derzeit sitzt er eine 15-jährige Haftstrafe ab. Ihm wird vorgeworfen, Schmiergeld in Millionenhöhe bei Auftragsvergaben des Ölkonzerns Petrobas angenommen zu haben. Cunha soll sich während seines Prozesses von Temer im Stich gelassen gefühlt haben - weshalb er sich nun rächen könnte.

Seit 2014 tobt ein Korruptionsskandal von riesigem Ausmaß

Es heißt, Cunha habe umfangreiche Details zu dem derzeit alles beherrschenden Skandal: Seit 2014 wird in Brasilien wegen Schmiergeldzahlungen bei Auftragsvergaben von Konzernen gegen große Teile der politischen und wirtschaftlichen Elite ermittelt.

Zu den Beschuldigten in der "Operation Hochdruckreiniger", dem größten Korruptionsskandal des Landes, zählen auch acht von Temer berufene Minister. Experten gehen davon aus, dass der 58-jährige Cunha den Behörden Informationen zu zahlreichen Verdächtigen geben könnte, wenn ihm von den Ermittlern ein Vergleich angeboten und er aussagen würde.

Der Tageszeitung O Globo zufolge soll ein Abgeordneter gefilmt worden sein, wie er einen Geldkoffer mit 500 000 Reais (146 000 Euro) entgegennahm. Das Geld stammt dem Bericht zufolge von dem Unternehmer Joesley Batista und war wohl für Cunha bestimmt. Joesley Batista und seinem Bruder Wesley gehört der Konzern JBS, der größte Fleischproduzent der Welt.

"Das müssen Sie weitermachen, einverstanden?"

O Globo berichtete, Batista habe Temer bei jenem Treffen im März, das wohl auf Bändern festgehalten ist, erzählt, dass er Cunha für dessen Schweigen bezahle. Daraufhin habe der Präsident geantwortet: "Das müssen Sie weitermachen, einverstanden?" Inzwischen soll Batista Gesprächsaufzeichnungen mit Temer an den Richter am Obersten Gerichtshof, Edson Fachin, ausgehändigt haben. Das Bekanntwerden der angeblichen Schweigegeldzahlungen dürfte das Ansehen Temers weiter verschlechtern. Als er am Mittwoch eine Krisensitzung einberief, schrien wütende Demonstranten "Temer raus". Die linke Arbeiterpartei forderte seinen sofortigen Rücktritt und Neuwahlen.

Der unbeliebte Präsident will aber ohnehin nicht mehr um Wählerstimmen werben: In einem Fernsehinterview Anfang Mai hatte Michel Temer angekündigt, er werde sich nach Ablauf seiner Amtszeit 2018 aus der brasilianischen Politik zurückziehen. Wirkliche Chancen hätte er wohl ohnehin nicht.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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