BND:Wegweiser aus der Grauzone

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Die Arbeit des BND müsse "demokratisch legitimiert werden", sagt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Die SPD will den Bundesnachrichtendienst reformieren und von der analogen in die digitale Zeit führen.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Oktober 2013 kurz vor einem EU-Gipfel in Brüssel: Angela Merkel steht vor Kameras und sagt ein paar Sätze zu den Abhör-Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes NSA in Deutschland. Sie sagt: "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht!"

Inzwischen ist klar: Ausspähen unter Freuden, das geht sogar sehr gut. Der Bundesnachrichtendienst findet etwa, Ausländer im Ausland sind "vogelfrei", berichtete ein BND-Mitarbeiter im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages. BND-Chef Gerhard Schindler erklärte, sein Dienst verstoße nicht gegen Gesetze, wenn er Franzosen, Briten, Österreicher oder Afghanen aushorche. Freund hin oder her.

Die SPD-Bundestagsfraktion will das ändern. Am Dienstag stellten Fraktionschef Thomas Oppermann, NSA-Ausschuss-Obmann Christian Flisek und Innenexperte Burkhard Lischka ein 16-seitiges Reformpapier für den Bundesnachrichtendienst vor. Die Arbeit des BND soll aus der rechtlichen Grauzone herausgeholt und "vollständig demokratisch legitimiert werden", sagte Oppermann. Die BND-Reform soll bis 2017 stehen.

Woran es hakt, das hat der NSA-Ausschuss in Dutzenden Sitzungen herausgearbeitet: Das geltende BND-Recht stammt aus einer analogen Zeit, sagte Oppermann. Aus der Zeit des Kalten Krieges, ergänzte Flisek. Daraus resultieren offene Rechtsfragen. Die im BND mit eigenwilligen Rechtsauffassungen geschlossen werden. Der BND geht etwa davon aus, dass alle Daten, die BND-Agenten in der Außenstelle Bad Aibling an Satelliten im Weltraum abschöpfen, keiner gesetzlichen Kontrolle unterliegen. Weil Weltraum ja Ausland ist. Verfassungsrechtler halten das längst für aberwitzig. Die Weltraum- und andere seltsame BND-Theorien will die SPD jetzt durch klare gesetzliche Regeln abschaffen. Dafür will sie mehrere für den BND völlig neue Grundsätze einführen. Etwa diesen: Der in Artikel 10 des Grundgesetzes geregelte Schutz des Fernmeldegeheimnisses gilt für alle Menschen. Nicht nur für Deutsche. Der Vorschlag der SPD sieht allerdings Abstufungen vor. Künftig sollen Bürger der Europäischen Union einen ähnlich hohen Schutzstandard genießen wie deutsche Bürger. Für alle anderen Erdbewohner soll reichen, dass künftig alle Abhöraktionen des BND zuvor von der G-10-Kommission des Bundestages zu genehmigen wären. Ein Fortschritt wäre das dennoch: Heute sind diese Genehmigungen nur dann erforderlich, wenn Deutsche betroffen sein könnten.

Neu wäre für den BND auch, sich an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit halten zu müssen. Das umfassende Abgreifen an einer Datenleitung etwa soll nur noch möglich sein, wenn es keinen anderen Weg gibt, an die gewünschten Informationen zu kommen. Verboten werden soll dem BND, Daten-Heuhaufen anzulegen, um darin mit immer neuen Suchbegriffen Nadeln zu finden, die dort bisher keiner vermutet. Wirtschaftsspionage soll ebenso ausdrücklich verboten werden.

Zweites Kernstück des Papiers ist der Ausbau der parlamentarischen Kontrolle. Drei Gremien gibt es dafür im Bundestag: Das Parlamentarische Kontrollgremium, zuständig für das operative Geschäft der Geheimdienste. Das Vertrauensgremium, in dem besprochen wird, wie viel Geld die Nachrichtendienste aus dem Bundeshaushalt bekommen. Und die genannte G-10-Kommission. Die SPD will diese drei Gremien künftig stärker miteinander verzahnen. Heute dürfen die Mitglieder noch nicht einmal untereinander über ihre Arbeit sprechen. Das soll sich ändern. Speziell die G-10-Kommission soll massiv gestärkt werden. Mehr Mitglieder, mehr Mitarbeiter, mehr Kompetenzen. Im Zweifel sollen die Kontrolleure Abhöranlagen des BND überprüfen können.

Mit dem SPD-Paket würde die Arbeit des BND wohl deutlich schwerer. Die Union hat stets erklärt, der Dienst dürfe nicht geschwächt werden. Oppermann aber findet: "Der BND ist schwach." Nur, ihn auf rechtssichere Beine zu stellen, werde ihn wieder stärken.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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