BND:"Total überzogen"

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Ausländische Journalisten sind für den BND legitime Ziele. (Foto: imago stock&people)

Ein BND-Mitarbeiter wundert sich über die Aufregung wegen der Ausspähung ausländischer Medien durch den deutschen Auslandsgeheimdienst.

Von Hans Leyendecker, München

Ein hochrangiger Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) hat die Aufregung über die Überwachung von ausländischen Medien als "total überzogen" bezeichnet. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung sagte er, es handele sich um Fälle, die zum "Auftragsprofil der Bundesregierung gepasst" hätten. Keiner der Fälle sei "illegal gewesen". In der Mehrzahl sei es um Informationsgewinnung in Krisengebieten gegangen. Dass Medien in die strategische Fernmeldeaufklärung geraten seien, habe der Bundestag im Vorjahr in einem Bericht festgestellt. Inzwischen seien die betreffenden Selektoren "ausgesteuert" worden.

Nach einem Spiegel-Bericht hatte der BND von 1999 an ausländische Journalisten unter anderem in Pakistan, Afghanistan und Nigeria überwacht. Der Auslandsgeheimdienst hatte deren Telefon- und Fax-Nummern oder E-Mail-Adressen demnach in einer Überwachungsliste geführt. Unter den Spähzielen sollen auch Anschlüsse der Nachrichtenagentur Reuters oder der New York Times gewesen sein.

Vertreter von Journalistenorganisationen sowie der Opposition im Bundestag hatten nach Bekanntwerden der Vorwürfe scharfe Kritik am Vorgehen des BND geäußert. "Wer Journalistinnen und Journalisten überwacht, den unterscheidet nicht mehr viel von Putin, Erdoğan und anderen autoritären Herrschern", kritisierten Vertreter der Grünen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre dies ein "riesengroßer Skandal". Der Gesprächspartner vom BND hält solche Kritik für "maßlos und falsch". Ein ehemaliger BND-Mitarbeiter sagte der SZ, der Dienst habe etwa in der Demokratischen Republik Kongo 2006 ausländische Journalisten abgehört, weil die Bundeswehr dort einen Einsatz hatte. Die Frage habe schlicht gelautet: Wer verfügt über Informationen über das Land?

Generell ist es so, dass ausländische Journalisten für den BND legitime Überwachungsziele ohne besonderen Schutz sind. Allgemein gelten Ausländer den meisten Geheimdiensten als vogelfrei. Wenn der BND allerdings deutsche Journalisten im Ausland abhören würde, wäre das illegal. Der Grundrechtsschutz gilt auch außerhalb der deutschen Staatsgrenzen. Als der Nachrichtendienst im Jahr 2006 über Monate einen afghanischen Minister ausspähte und dabei auch Mails einer Spiegel-Journalistin mitlas, war das ein Skandal. Der Dienst sei außer Kontrolle, hieß es. Mails mit der Endung "de" sollen automatisch vor Erfassung geschützt sein.

Generellen Schutz für ausländische Journalisten vor Überwachung gibt es nicht, doch die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt sich immer wieder. Vor Jahren legte die Bundesregierung fest, dass Journalisten nicht als Quellen gewonnen werden dürfen. Ausländische Journalisten aber durften weiter abgehört werden.

Das alte BND-Gesetz hatte zu der Frage, ob der deutsche Dienst bei Journalisten zurückhaltender sein sollte, nichts Konkretes erklärt. Im neuen BND-Gesetz, das seit Januar in Kraft ist, fehlt (trotz etlicher Petitionen von Journalistenorganisationen) eine Ausnahmeregelung für ausländische Journalisten. Nur EU-Bürger, also auch Journalisten aus der EU, haben festgeschriebenen Schutz. Allerdings gilt der nicht, wenn der BND eine Begründung für eine Lauschaktion im EU-Ausland parat hat, die von einem neu geschaffenen und mit Juristen besetzten unabhängigen Gremium für zulässig erklärt wird. Das gilt beispielsweise bei Kontakten mit extremistischen Zirkeln.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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