BND:Auf Distanz zum Kanzleramt

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In der Affäre um Spähaktionen des US-Geheimdienstes NSA konstatiert die SPD beim Bundeskanzleramt Versagen bei der Aufsicht über den BND. Sie fordert personelle Konsequenzen.

In der Affäre um mutmaßliche Spähaktionen des US-Geheimdienstes NSA und seine Unterstützung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) geht die SPD zunehmend auf Distanz zum Kanzleramt. Ähnlich wie die Opposition im Bundestag sprechen führende Sozialdemokraten von einem Skandal und schließen personelle Konsequenzen nicht aus - und haben somit eine dezidiert andere Auffassung als die Bundesregierung, die derzeit keinerlei Anlass für solche Schritte sieht. Diese Frage stelle sich momentan nicht, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Montag. Kanzlerin Angela Merkel betonte bei einem Besuch in Polen, "jetzt geht es darum, die Dinge vollständig aufzuklären." Etwas Neues habe sie zur Debatte nicht hinzuzufügen.

Der BND soll dem US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die Vorwürfe waren am Donnerstag bekannt geworden. Zunächst hieß es, das Kanzleramt sei erst im März informiert worden. Am Sonntag hatte die Bundesregierung dann bestätigt, dass der BND das Kanzleramt schon 2008 über Spähversuche der Amerikaner gegen europäische Ziele informiert hatte.

Europäische Unternehmen sollen jahrelang bespitzelt worden sein

Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, "dann wäre das eine völlig neue Qualität", sagte Vize-Kanzler Sigmar Gabriel am Sonntagabend im "Bericht aus Berlin" der ARD. Es sei "offensichtlich" so, dass der BND ein Eigenleben führe. Dies sei "skandalös" und müsse beendet werden, forderte der Bundeswirtschaftsminister. "Die jüngsten Enthüllungen in der NSA-Affäre legen nahe, dass das Kanzleramt bei der Aufsicht des Bundesnachrichtendienstes kläglich versagt hat", sagte die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi Spiegel Online. "Wir sollten dringend prüfen, ob der Untersuchungsauftrag des NSA-Ausschusses ausgedehnt werden muss", sagte Fahimi. "Hier deutet sich eine Weiterung der Affäre an, die möglicherweise zu einem handfesten Problem des Kanzleramtes wird", sagte auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka.

Das Kanzleramt hat die Aufsicht über den BND. 2008 war der heutige Innenminister Thomas de Maizière Kanzleramtschef, 2010 war es Ronald Pofalla (beide CDU). Wirtz wollte sich nicht dazu äußern, wer genau damals im Kanzleramt von den Vorgängen erfahren habe. "Ich gehe nicht auf Personen ein." Sie betonte, durch die Dokumente von 2008 und 2010 allein seien zunächst keine Defizite erkennbar gewesen. Die Unterlagen seien im Herbst 2014 an den NSA-Untersuchungsausschuss gegangen. Erst als dieser weitere Unterlagen zu dem Thema angefordert habe, seien neue Erkenntnisse ans Licht gekommen - und damit auch Defizite beim BND.

© SZ vom 28.04.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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