Blogger im US-Wahlkampf:Rechts sein und recht haben

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Mit großer Aggressivität kämpfen US-amerikanische Blogger jetzt auch für John McCain und Sarah Palin. Sie kennen dabei kaum Grenzen und keine Zweifel.

Tom Schimmeck

Eric Golub, 36, wieselte rastlos durch die Hallen. Ein kleiner Mann mit Hut und zerknautschtem Jackett auf der Suche nach großen Namen und Geschichten. "Man muss schon ein paar Schrauben locker haben", sagte er.

Viele US-amerikanische Blogger unterstützen die Republikaner. Sarah Palin wird als zweite Lady Thatcher gefeiert. (Foto: Foto: AFP)

Golub ist Blogger, einer von Hunderten, die sich mit Wonne in den Dienst von John McCain und der Republikanischen Partei stellen. Der Tygrrrr Express, sein Online-Organ, beschäftigt sich werktags mit Politik, am Wochenende auch mit Football und Frauen. Die Abendkolumne über die Premiere von Sarah Palin, der neuen Vize-Kandidatin John McCains, leitete er mit einem siebenfachen "Wow!" ein: Lady Thatcher sei wiederauferstanden, vermeldete Golub, schon zitterten die Demokraten in "völliger Panik". Denn Palin habe "Nerven aus Stahl", eine "rasierklingenscharfe Zunge", ihr Kopf sei "schnell wie das Licht". Bedauerlich nur, dass er nicht ihr Gatte sein dürfe.

Barack Obama und die Demokraten setzten früh auf das Internet, um ihre Ziele zu verbreiten und Stimmung zu machen. Die Republikaner ziehen nun nach. In Scharen bat ihre Abteilung Special Press Operations vergangene Woche rechte Blogger zum Parteitag nach St. Paul. Senator Fred Thompson schmeichelte ihnen gar mit einem Blogger's Brunch im 22. Stock des Crowne Plaza. Was manchen Internet-Jauchzer über den "tollen Blick" auf den Mississippi nach sich zog.

Blogs wie America can only be right, Brutally Honest, God, Guns and Grits oder NeoCon Express gelten den Parteistrategen als Wunderwaffe - kämpfen die Online-Kameraden doch mit dem Feuereifer von Sektenführern für die ultrakonservative Sache. Gerne verbreiten sie Witze, Gerüchte und Häme, attackieren den Gegner, subjektiv und schamlos. Ihr Credo: "Nobama!"

"Bei mir gibt es nur konservativ"

"Die Mainstream-Medien lügen. Mit der New York Times kann man nur seinen Müll einwickeln", erklärte der Kalifornier Golub während des Parteitages. Golub hat sein Geld als Börsenmakler verdient. "Bei mir gibt es kein fair und ausgewogen, bei mir gibt es nur konservativ", meinte der republikanische "Cyber-Pastor" Ed Boston, 46, aus Hope, Indiana, der über Gott und Politik schreibt. "Die Partei sagt, sie braucht uns, um die Botschaft nach draußen zu tragen."

Es ist, als ob das Vaterland riefe: Da wird nicht lange gefragt. Bostons Enthusiasmus für John McCain ist noch frisch - bei den Vorwahlen kämpfte er wie viele Blogger für noch weit konservativere Kandidaten. Inzwischen ist er von McCain "begeistert", besingt in Reimen Charakter, Mut und die Visionen des Präsidentschaftskandidaten. Palin werde, glaubt der Cyber-Pastor, "dem christlichen Teil der Partei neue Kraft geben".

Die Hinwendung der Partei zu den Bloggern geht mit schweren Attacken auf die Mainstream-Medien einher. Auch nach acht Jahren George W. Bush geben sich viele Republikaner gern als von einer liberalen Ostküsten-Elite unterjochte Minderheit. Unverdrossen knöpfen sich die rabiaten Talk-Radios jeden vor, der links von Dick Cheney das Wort zu ergreifen wagt. In aufgeklärten Medien grübelt man seit Jahren, wie kritischer Geist, vor allem zu Beginn des Irakkrieges, derart versagen konnte. Den Organen der Ultrakonservativen sind Selbstzweifel völlig fremd. Rechts sein und recht haben ist für sie eins.

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Das Spektrum hat sich in der Ära Bush stark verschoben. Auf der amerikanischen Skala würde Angela Merkel weit links landen. Viele traditionell eher kritische Blätter sind den Republikanern in den Bush-Jahren weit entgegengegangen - stets bemüht, auch die Stimme der Regierung zu transportieren. Gerade die Washington Post unternahm erstaunliche Verrenkungen, um im Weißen Haus zu gefallen. 2006 heuerte das Blatt gar einen Blogger aus dem rechten Lager an.

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"Murdoch ist phantastisch"

Der nach Plagiatsvorwürfen aber bald wieder weichen musste. Blogs mit Namen wie Right Truth, Sharp Right Turn, Screw Liberals oder The Exorcist hingegen lassen wenig Luft für Dialog, feuern weiter in Guerilla-Manier gegen das demokratische Establishment. Sie attackieren Muslime, Immigranten, Kriegskritiker und andere "Kommunisten" und "Terroristen". "Liberal" ist für sie ein wirklich schlimmes Schimpfwort. Für "fair und ausgewogen" halten viele Republikaner gerade mal den aggressiven Murdoch-Kanal Fox News. "Murdoch ist phantastisch", meint Blogger Golub. Die meisten Medien seien "doch links von Leo Trotzki".

Vergangene Woche knöpften sich Strategen der McCain-Kampagne unliebsame Reporter, die nach der Eignung der Überraschungskandidatin Palin fragten, gleich namentlich vor. McCain ließ ein Interview auf CNN absagen. Parteitagsdelegierte buhten im Saal, sobald nur das Wort "Medien" fiel. Die Feindseligkeit der "Elite-Medien", frohlockte der frühere Präsidentschaftskandidat Mike Huckabee, habe "die Republikaner vereint". Es seien die "schärfsten Angriffe auf Journalisten seit Menschengedenken", beobachtet die New York Times.

Die Medienaversion der Rechten hat allerdings Tradition. Im Internet werden T-Shirts angeboten mit der Aufschrift "Rope. Tree. Journalist. Some assembly required". Frei übersetzt: Seil. Baum. Journalist. Einfache Montage.

Gibt es Grenzen? "Oh ja", beteuert Blogger Bill Smith, 62, aus Arkansas: "Wenn einer schreiben würde: 'Hängt Obama auf!', würde ich das nicht zulassen." Smith war 22 Jahre beim Militär. Seine Visitenkarte, verziert mit Adler und Sternenbanner, weist ihn als "National Political Director" einer Organisation namens Let's Get This Right aus. Man habe schon sechsstellige Summen gesammelt, berichtet Smith - "für Republikaner, die uns gefallen".

"Waffen, Religion und freie Rede"

Erwarten seine Leser nicht ein Minimum an Distanz? "Ich berichte, mache Nachrichten", sagt Smith mit einem spitzen Lacher, "aber gewiss nur in die Richtung, die ich will." Er verachtet den Wohlfahrtsstaat, setzt auf "Waffen, Religion und freie Rede". Seine Frau, erzählt er, habe bei Palins Ansprache vor Entzücken geweint."Natürlich sind wir Alliierte, wir werden ein immer wichtigeres Werkzeug der Partei", meint Erick Erickson, Managing Editor von Redstate, einem kommerziell erfolgreichen rechten Blog.

Der Profi-Blogger, ein ehemaliger Anwalt, bezieht ein Gehalt und lenkt eine Schar von Freiwilligen: "Sie nennen mich, in Anlehnung an Kim Jong Il, den 'lieben Führer'." Mit der Versammlung seiner "Grand Old Party" war Erickson höchst zufrieden, zählte täglich an die 250.000 Besucher. Der typische Leser sei "zwischen 40 und 45, männlich, weiß, verheiratet, recht gut verdienend". Und im Besitz einer Waffe? "Wahrscheinlich mehrerer", mutmaßt er. "Und einer Bibel."

"Demokraten betrachten ihre Blogger eher als Aktivisten, Republikaner eher als Journalisten", beobachtet Katherine Morrison, 33, Bloggerin aus New Hampshire, die sich erst kürzlich der Sache McCains verschrieben hat. Sie selbst sieht sich nicht als Journalistin. Genauso wenig wie Richard Ivory, ein schwarzer Republikaner aus Harlem, der als "Hip Hop Republican" einige Berühmtheit erlangt hat. Für den Parteitag, berichtete er stolz, habe ihn The root, eine Web-Dependance der Washington Post, unter Vertrag genommen. "Es ist derzeit schwierig, als Schwarzer bei den Republikanern zu sein", räumte Ivory ein: "Mein Herz ist bei Obama, mein Kopf ist mit McCain."

Im Hauptberuf betreut Ivory Obdachlose. Als Blogger, sagte er, bediene er "einfach eine Nische, die sonst keiner beachtet: schwarze Republikaner". Gerade zwei Prozent der republikanischen Delegierten waren diesmal schwarz.

Die Blogger auf der Pressetribüne machten sich einen Spaß daraus, den Parteitagsrednern lauten Beifall zu spenden. "Wir hatten hier eine tolle Zeit", sagte Golub vom Tygrrrr Express. Er ist Jude. Sein Vater hat den Holocaust überlebt. Er fürchtet den "Islamofaschismus", verlangt nach einer "aggressiven, maskulinen Außenpolitik, die Terroristen umbringt". Die Geschichte werde dem "großen Mann George Bush" recht geben, prophezeite er: "Und diese Geschichte beginnt jetzt."

© SZ vom 09.09.2008/jtr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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