Betreuungsgeld:Familienpolitik ist Wirrwarr

Die Regierung war nicht vorbereitet auf das Urteil. Ein paar Eckpunkte, eine klare Ansage, dass man weg will von der fehlgelenkten Geldpolitik - das hätte genügt. Und nun? Nach dem Betreuungsgeld ist vor dem Betreuungsgeld.

Von Ulrike Heidenreich

Niemand dürfte sich im Kindergarten so aufführen wie Horst Seehofer und Manuela Schwesig. Lauthals streiten, alles kaputt machen und die Trümmer auf dem Boden liegen lassen. So geht das nicht. Aufräumen muss das Chaos dann jemand anderes: die Eltern und die Erzieherinnen - falls die da sind und nicht wieder streiken. Denn es gibt eine zeitliche Koinzidenz in der angeheizten Debatte über Kinderbetreuung, die nichts Konstruktives ahnen lässt.

Am 13. August wollen die Regierungsfraktionen darüber beraten, wie es weitergehen soll nach dem ablehnenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Betreuungsgeld. Das ist reichlich spät, denn überraschend kam das ja nicht. Genau am 13. August aber endet auch die Friedenspflicht beim Kita-Streik. Dieser Streik der Erzieherinnen, das wird gerne verdrängt, ist längst nicht beigelegt; die Gewerkschaften lassen die unzufriedene Basis noch abstimmen über das mickrige Schlichtungsergebnis. Bei dieser Terminüberschneidung ist absehbar, wie argumentiert wird: Die einen wollen die Milliarde der anderen - so einfach. Für ein Innehalten, ein Nachdenken über das große Ganze der Familienpolitik, über Sinn und Unsinn staatlicher Zuwendungen ist da kein Raum.

Nichts ist vorbereitet, alle Fragen sind offen. Die einen wollen die Milliarde der anderen

CSU-Chef Seehofer und SPD-Bundesfamilienministerin Schwesig machen seit dem Urteil vor, wie man sich im Fall eines Streits nicht verhalten sollte. Nichts ist vorbereitet für den Fall der Fälle, alle Fragen sind offen. Wie es mit Übergangsregelungen aussieht? Keine Ahnung. Grundlagen für eine Landesprämie? Muss man prüfen. Versöhnliche Töne? Mitnichten. Irgendeine Vision? Null. Man mag Schwesig nicht unterstellen, dass es Kalkül war, die Sache bis zum 13. August schleifen zu lassen. Aber natürlich trifft es sich gut, dass da Massen von schlecht bezahlten Erzieherinnen die frei werdenden Mittel laut für sich reklamieren werden. Die Ministerin will den Topf des ungeliebten Betreuungsgelds ja sowieso für den Kita-Ausbau verwenden.

Geld, Geld, immer nur Geld. Die deutsche Familienpolitik besteht aus einem Wirrwarr aus Geldgaben, die sich teils widersprechen - und nachweislich keinerlei Nutzen haben. Mehr als 160 Zuwendungen mit einem Volumen von gut 195 Milliarden Euro sind das inzwischen. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland ganz oben bei den öffentlichen Ausgaben für Familien, bei der Geburtenrate aber immer weiter hinten. 150 Euro hier, ein Kinderzuschlag dort - der Anreiz, Babys zu bekommen, ist das ganz offensichtlich nicht. Eines von vielen Beispielen für konkurrierende Signale im Konstrukt ist das Ehegattensplitting; es nutzt Paaren, bei denen einer viel, die andere schlechter verdient oder gar nicht arbeitet. Es kostet den Staat 20 Milliarden Euro. Das Betreuungsgeld war mit einer Milliarde Euro Kosten nur das kleinere Ärgernis.

Die Reaktionen auf Karlsruhe sind trotzdem über die Maßen ärgerlich. Unbeeindruckt machen alle Parteien da weiter, wo sie schon mal waren. Schwesig hat die Chance zum Umsteuern verpasst, im richtigen Moment, als alle nach dem Urteil aufmerksam zugehört hätten. Ein paar Eckpunkte, eine klare Ansage, dass man weg will von der fehlgelenkten Geldpolitik - schon das hätte genügt. Und nun? Nach dem Betreuungsgeld ist vor dem Betreuungsgeld.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: