Barack Obama:Die Bilanz auf einen Klick

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"Ihr sollt mich zur Rechenschaft ziehen", forderte Barack Obama im Wahlkampf. Das macht sueddeutsche.de - mit Hilfe des "Obameters", einem Internet-Tool, das mehr als 500 der Wahlkampfversprechen des US-Präsidenten analysiert.

Barbara Vorsamer

478 seiner 510 Wahlkampfversprechen hat Barack Obama noch nicht eingelöst - das sei ihm zugestanden, nach nicht einmal vier Wochen im Amt. Schlimmer ist, dass der zu Anfang seiner Präsidentschaft mit Lob überschüttete Politiker bereits das erste Versprechen gebrochen hat.

Auf einen Blick: Die Übersicht des Obameters. (Foto: Screenshot: politifact.com)

Das Obameter führt genauestens Buch über alles, was Obama tut und lässt. Und zwar nicht wie andere Nachrichtenseiten mit einem bewertenden Fließtext nach dem nächsten. Das Tool von Politifact, einem Projekt der St. Petersburg Times aus Florida, analysiert - und zählt. Auf der Basis von TV-Ansprachen, Wahlprogrammen und der Website barackobama.com haben die Macher mehr als 500 Wahlversprechen zusammengestellt.

Jedes Versprechen gehört in eine dieser sechs Kategorien: "no action" (zu deutsch: es ist noch nichts geschehen), "in the works" (in Arbeit), "stalled" (im Stillstand), "promise broken" (Versprechen gebrochen), "compromise" (Kompromiss) und "promise kept" (Versprechen gehalten). Dutzende Reporter und Rechercheure der St. Petersburg Times sind nun damit beschäftigt, das Tool aktuell zu halten.

Das Obameter liest sich derzeit (Stand: 16.2.2009, 10 Uhr) folgendermaßen: Sieben Versprechen hat der Demokrat bereits eingelöst, eines gebrochen, einen Kompromiss geschlossen, ein Projekt auf Eis gelegt, an 22 Vorhaben arbeitet seine Regierung gerade und 478 sind noch nicht in Angriff genommen.

So gesehen ist das Obameter ein einfaches Tool, das jedem User mit einem Klick einen Überblick über Obamas Politik verschafft. Auch lassen sich die einzelnen Versprechen nach verschiedenen Kriterien ordnen: die aktuellsten, die Themen in Arbeit oder alle zur Außenpolitik. So findet jeder schnell das, was ihn am meisten interessiert.

Die Bilanz auf einen Blick also - beziehungsweise auf einen Klick. Doch wie so oft bei Dingen, die einfach scheinen, ist Vorsicht geboten. Denn der Versuch, politische Handlungen in ein einfaches Bewertungsschema zu pressen, führt zu Ungenauigkeit.

Sollte die Startseite des Obameters in einem Jahr anzeigen, dass Barack Obama 120 Wahlkampfversprechen gebrochen hat, muss das nicht heißen, dass er als Präsident versagt hat. Seine Projekte können auch an der Finanzierung scheitern oder an der Ablehnung durch den Kongress.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Politifact mit diesem Makel umgeht - und wie die Bilanz für Obamas Präsidentschaft bisher ausfällt.

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Dieser Makel des Tools ist auch den Urhebern bewusst und deshalb ausführlich im Kleingedruckten beschrieben. Auch beschränkt sich der Inhalt des Obameters nicht auf die Zahlen und bunten Balken der Startansicht. Wer es genau wissen will, bekommt es genau erklärt.

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Zum Beispiel bei Obamas erstem gebrochenen Wahlversprechen: Es handelt sich dabei um die Unterschrift des Präsidenten für den Lilly Ledbetter Fairplay Act, ein Gesetz, das Minderheiten Klagen ermöglicht, wenn sie sich beim Gehalt diskriminiert fühlen. Für das Gesetz selbst gab es vom Obamameter einen grünen Balken: "Versprechen gehalten", denn schon im Wahlkampf hatte sich Obama für diese Regelung eingesetzt.

Er hatte jedoch auch versprochen, alle Gesetzesvorlagen fünf Tage lang auf der Homepage des Weißen Hauses zur Diskussion zu stellen, bevor er sie unterzeichnet. Mit dem Lilly Ledbetter Fairplay Act hatte er das jedoch nicht getan, dafür gab es ein "Versprechen gebrochen". Auf mehr als zwei Seiten erklären die Politifact-Autoren diesen Hintergrund genau und versorgen den Leser zusätzlich mit Links für noch mehr Informationen.

Sieben Versprechen hat der neue Präsident bereits eingelöst, neben dem Antidiskrimierungsgesetz gehören dazu die Ernennung von mindestens einem Republikaner ins Kabinett, die Erweitung der staatlichen Gesundheitszuschüsse und der Befehl zum Abzug aus dem Irak.

Für die Schließung Guantanamos gab es noch keinen grünen Balken, das Projekt bekommt von Politifact die Kategorie "in Arbeit". Schließlich sei sie ja nur beschlossen, noch existiere das Lager, erklären die Autoren.

Ebenfalls in Arbeit ist die Verbesserung der diplomatischen Beziehungen mit dem Irak und dessen Nachbarn. Hier hat Obama dem Tool zufolge schon einiges in Gang gebracht: Dem arabischen Sender Al-Arabija hat er sein erstes Interview gegeben und hat zwei hochrangige Diplomaten als Sondergesandte für die Region eingesetzt, George Mitchell und Richard Holbrooke. Auch zu diesen Punkten gibt es auf der Website ausführliche Erklärungen und Links.

Das Obameter hat also beides: Die Bilanz auf einen Klick für die Eiligen und die Fakten und Hintergründe für die, die sich selbst eine Meinung bilden wollen.

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