Bankräuber kämpft für Steuerzahler:Thomas M., der Partyschreck

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Ein Wildschweinessen von Angela Merkel und Georg W. Bush wurde als "teuerste Grillparty der Welt" bekannt. Seit vier Jahren kämpft ein verurteilter Bankräuber dafür, dass der Steuerzahler erfährt, wieviel die Sause gekostet hat. Nun geht der Streit vor Gericht.

Cordula Sailer

Trinwillershagen ist eine 1000-Seelen-Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern, gut 250 Kilometer nördlich von Berlin. Doch die große Politik der Hauptstadt ist von Trinwillershagen noch viel weiter weg als diese 250 Kilometer, ungefähr so weit wie eine Grillparty von einem Multi-Millionen-Euro-Event.

Merkels Wildschweinessen mit George W. Bush im Jahre 2006 beschäftigt die Justiz. (Foto: ddp)

Doch an einem Tag im Juli des Jahres 2006 kam die große Politik nach Trinwillershagen. Nicht nur aus Berlin. Gar aus Washington, aus der Hauptstadt der Vereinigten Staaten, reiste der mächtigste Mann der Welt an. Und an diesem Tag im Juli in Trinwillershagen, da war dann eine Grillparty tatsächlich ein Multi-Millionen-Euro-Event.

Das zwanglose Zusammensein von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush ging in die Geschichtsbücher ein als "das teuerste Grillfest der Welt": Es soll 8,7 Millionen verschlungen haben.

40 Stunden weilte Bush in Merkels Heimat Nordvorpommern. Die beiden diskutierten nicht nur über den Nahost-Konflikt, den Klimaschutz oder die Lage in Osteuropa, auch die persönliche Beziehung zwischen den beiden Regierungschefs sollte gestärkt werden.

Daher standen neben den geschäftlichen Terminen ein Mittagessen in Stralsund sowie ein ungezwungener Grillabend im Örtchen Trinwillershagen auf dem Programm. Damit der Politiker-Plausch nicht allzu steril und verkrampft wirkte, wurde auch die Öffentlichkeit eingeladen. Nach dem Stadtrundgang in Stralsund wurden Merkel und Bush auf dem Marktplatz von 1000 Besuchern empfangen. Beim Barbecue waren 50 ausgewählte Gäste geladen.

Der Sicherheitsaufwand war enorm: Rund 12.500 Beamten sorgten für die Sicherheit der Polit-Elite - über 8000 Polizisten kamen aus anderen Bundesländern zur Hilfe. Damit war es der größte Polizeieinsatz, den Mecklenburg-Vorpommern je erlebt hatte.

Ob das alles den Abend in Trinwillershagen wirklich zum teuersten "Grillfest der Welt" macht, lässt sich kaum überprüfen - wer weiß schon genau, wie russische Oligarchen oder arabische Ölprinzen grillen.

Sicher aber ist: Der Bush-Besuch hat den Steuerzahler Millionen gekostet. Und er hat einem Bankräuber aus Baden-Württemberg eine Mission verschafft. Der Häftling Thomas M. kämpft seit vier Jahren dafür, en détail über die Kosten des Grillspaßes informiert zu werden.

Auf eine Kleine Anfragen der NPD-Fraktion im Schweriner Landtag hin hatte das Innenministerium bereits in den Jahren 2007 und 2008 die Gesamtsumme von 8,7 Millionen Euro für den Einsatz bekannt gegeben. Knapp 5,7 Millionen Euro hätten andere Bundesländer für den Polizeieinsatz in Rechnung gestellt.

Dieses Bild entstand ebenfalls am Rande des Grillfestes in Trinwillershagen - und wurde zu einem der Bilder des Jahres 2006. (Foto: REUTERS)

Diese Information erhielt auch der Häftling aus Bruchsal, doch damit ist er nicht zufrieden. "Mein Mandant will auch die Rechnungen über die 5,7 Millionen der anderen Länder einsehen, um zu überprüfen, ob die Zahlen im Detail zutreffen", sagt sein Anwalt Stefan Schulz.

Dabei beruft sich die Klage auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, "das jeder natürlichen Person dann einen Anspruch auf Zugang zu Informationen, die den Landesbehörden vorliegen, gibt, wenn kein im Gesetz benannter Ablehnungsgrund gegeben ist", erklärt Sabine Tiemann, Pressesprecherin des Verwaltungsgerichtes Schwerin.

Neben Mecklenburg-Vorpommern waren noch 14 weitere Bundesländer am Polizeieinsatz beteiligt. Drei davon hätten bereits zugestimmt, die Rechnung zur Einsicht freizugeben. Allerdings sei die Zustimmung aller beteiligten Länder vonnöten.

Entscheidung am 8. September

Das Kuriose an diesem Prozess sei, dass der Antrag bereits im August 2006 von seinem Mandanten gestellt wurde, sagt Schulz. Also wenige Tage, nachdem das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft trat. Nach derzeitiger Rechtslage trete das Gesetz aber bereits am 30. Juni 2011 wieder außer Kraft.

Er rechne zwar fest mit einer Verlängerung des Gesetzes, aber falls sein Mandant in Berufung gehen müsse, sei der Termin für die nächste Gerichtsverhandlung nicht absehbar. "Wenn es das Gesetz bis dahin nicht mehr gibt, hätte er auch kein Recht mehr auf Einsicht", erklärt Schulz.

Bei der mündlichen Verhandlung kündigte das Gericht an diesem Freitag nun an, dass die Einzelheiten der Rechnung wohl unter Verschluss bleiben. Alle Bundesländer, die Polizisten für den Einsatz entsandt hatten, hätten einer Herausgabe widersprochen, sagte der Richter zur Begründung.

Lediglich die Endbeträge der Rechnungen der Länder Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen muss das Schweriner Innenministerium wohl herausgeben, weil dies von den jeweiligen Landesregierungen genehmigt worden sei. Eine endgültige Entscheidung will das Verwaltungsgericht am 8. September verkünden.

© sueddeutsche.de/dpa/cosa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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