Banken:Giro für alle

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Basiskonto für die Ärmsten: Auch ohne festen Wohnsitz kann man demnächst eine Geldkarte bekommen. (Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa)

Künftig sind Banken verpflichtet, für jedermann ein Konto einzurichten - zum Beispiel auch für Obdachlose.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Anerkannte Asylbewerber, Obdachlose und jede andere Person, die sich berechtigt in Deutschland aufhält, soll künftig bei jeder beliebigen Bank ein Konto eröffnen und am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilnehmen können. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, der am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen wurde. Erstmals werden alle Geldinstitute verpflichtet, jedem Antragsteller ein Konto auf Guthabenbasis einzurichten, über das er Geld einzahlen und abheben sowie Lastschriften, Überweisungen und Geldkartengeschäfte ausführen kann. Angesichts des Zustroms von Asylbewerbern sei jetzt genau der richtige Zeitpunkt, das Gesetz zu erlassen, hieß es aus dem Bundesfinanzministerium (BMF). Spätestens im Frühling sollen die Regelungen in Kraft treten. Die Zwangsverpflichtung der Banken sei die Folge davon, dass die jahrelang geltende freiwillige Selbstverpflichtung der Branche nicht wie erwünscht angeschlagen habe, hieß es aus dem Ministerium.

Um zu verhindern, dass die Banken die Anträge künftig einfach verschleppen, ist die Zwangsverpflichtung mit klaren Fristen verbunden. Die Banken sind angehalten, jedem Antrag auf ein Konto binnen zehn Tagen stattzugeben. Hält das Institut diese Frist nicht ein, darf sich der Antragsteller an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wenden, die wiederum die Banken anweisen kann, die Betroffenen als Kunden anzunehmen. Außerdem droht ein Bußgeld. Anträge auf Kontoeröffnung dürfen nur abgelehnt werden, wenn die Person schon ein Basiskonto hat, wenn sie straffällig geworden ist oder sich in Zahlungsverzug befindet. Ein negativer Schufa-Eintrag reicht dagegen nicht aus.

Für bestimmte Personen gelten zudem vereinfachte Zugangsvoraussetzungen für das Basiskonto. In der Regel muss ein Antragsteller seine Identität über Personalausweis oder Reisepass nachweisen, so schreibt es das Gesetz zur Geldwäsche vor. Bei anerkannten Asylbewerbern reicht es aus, wenn sie ein Dokument mit Kopf und Siegel einer Behörde vorlegen. Es muss Namen, Nationalität, Geburtsdaten und Meldebestätigung enthalten sowie unterschrieben sein. Obdachlose müssen ihren Ausweis vorzeigen, der auch ohne festen Wohnsitz des Inhabers üblicherweise einen amtlichen Hinweis auf die zuständige Behörde gibt.

Anders als ursprünglich geplant, wird das Basiskonto nicht kostenfrei sein. Die Banken dürfen angemessene und marktübliche Entgelte für die Kontoführung verlangen. Sie sind zugleich verpflichtet, Informationen wie Kosten, Filialnetze und Entgelte online zu veröffentlichen. Die Bundesregierung will digitale Portale fördern, die diese Informationen vergleichend und kundenfreundlich auflisten.

Wie viele Anträge auf das Basiskonto eingehen könnten, ist aufgrund der unklaren Asylzahlen schwer vorhersehbar. Das Bundesfinanzministerium kalkuliert mit "einer signifikanten Zahl" von Antragstellern. Allein in Deutschland, wo der bargeldlose Geschäftsverkehr gut entwickelt ist, hatte 2014 "eine sechsstellige Zahl von Personen" kein Konto. Hinzu kommen die in das Land strömenden Asylbewerber, sodass die Millionengrenze schnell überschritten sein könnte. Da auch die anderen EU-Mitgliedstaaten ihre Banken zum Basiskonto für jedermann verpflichten, werden europaweit mehrere Millionen Anträge erwartet.

Das Gesetz enthält außerdem Verbesserungen für Kontoinhaber, die ihr Institut wechseln wollen. Künftig sind die alte und die neue Bank verpflichtet, den Wechsel binnen zwölf Tagen reibungslos abzuwickeln.

© SZ vom 29.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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