Autoindustrie:Wenn die Ambition fehlt

Lesezeit: 2 min

Nicht nur Tesla hat die deutschen Autobauer kalt erwischt.

Von Angelika Slavik

Der Elektroautohersteller Tesla will nun also in den Massenmarkt einsteigen. Er bietet bald einen Mittelklassewagen mit Elektroantrieb zu einem bezahlbaren Preis an. Das ist eine gute Nachricht für Menschen, die sich gerne so ein Auto kaufen möchten. Und es ist eine sehr schlechte Nachricht für die deutschen Autokonzerne.

Als am Donnerstag Menschen auf der ganzen Welt vor den Tesla-Läden Schlange standen, um für 1000 Euro Anzahlung eines dieser neuen Autos für sich zu reservieren - ohne es gesehen, ohne es getestet zu haben -, haben sie vor allem in die Vision investiert, für die Tesla steht: Autos ohne Schadstoffausstoß, angetrieben von nachhaltig erzeugter Energie. Man könnte auch sagen: Tesla verkauft die Idee von einer besseren Welt. Und was verkaufen die deutschen Autokonzerne?

In den vergangenen Jahren haben die großen deutschen Hersteller in vielerlei Hinsicht unter Beweis gestellt, dass es ihnen an plausiblen Visionen fehlt. Da war zum einen das lange Zögern bei der Elektro-Mobilität: Die Unternehmen haben die Entwicklung des E-Antriebs erst ernsthaft vorangetrieben als deutlich wurde, dass noch längeres Zuwarten ihr Geschäftsmodell tatsächlich in Gefahr bringen würde. Anders gesagt: Die Aussicht, eines der drängendsten Probleme der Menschheit mitzulösen, war für die Konzerne kein Antrieb. Dafür brauchte es die Angst, den Anschluss zu verlieren.

Deutlich wird die Misere fehlender gesellschaftspolitischer Ambition auch durch die Betrugsaffäre bei Volkswagen: Dort war man so besessen von der Idee, der größte Autohersteller der Welt zu werden, dass für Moral in Wolfsburg leider kein Platz mehr war. Die Rückwärtsgewandtheit zeigt sich auch darin, dass Frauen in den Vorstandsetagen dieser Unternehmen kaum eine Rolle spielen. Volkswagen konnte sich erst durchringen, eine Frau in seiner Führungsriege zu akzeptieren, als die Dieselaffäre Veränderungen in der Konzernstruktur erzwang.

Nicht nur Teslas Elektroauto, auch Google oder Apple fordern BMW, Mercedes & Co heraus

Der mangelnde Sinn dafür, wie ein modernes Unternehmen aussieht, könnte für die deutschen Autokonzerne bittere Folgen haben. Ihr Status wird nicht nur vom ambitionierten Konkurrenten Tesla angegriffen. Neue Gegenspieler kommen vor allem aus dem IT-Bereich, Unternehmen wie Google - und vielleicht irgendwann auch Apple - treiben die alte Autobranche vor sich her. Zum Beispiel bei der Entwicklung des selbstfahrenden Autos. Wo sind die großen, die weltverändernden Innovationen der Deutschen?

Dazu kommt, dass auch die gesellschaftliche Entwicklung dem alten Geschäftsmodell der Traditionskonzerne zuwider läuft: Große Teile der jungen Menschen können mit der Idee vom Auto als Prestigeobjekt nichts mehr anfangen. Viele verlangen nach neuen Mobilitätskonzepten, vor allem in den Städten wollen viele junge Leute kein eigenes Auto mehr besitzen, sondern bloß im Bedarfsfall auf eines zurückgreifen können.

Das ist nur ein Teil der Herausforderungen, die nächsten Jahre werden viele neue hervorbringen. Die Konzerne müssen darauf Antworten finden. Es drängt sich der Gedanke auf, dass sie dafür zunächst ihre Haltung überdenken sollten. Bislang leben Deutschlands Autokonzerne gut - aber sie leben von der Vergangenheit. Wollen sie ein Teil der Zukunft sein, werden sie sich anstrengen müssen.

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: