Aufruhr im Jemen:Chaos mit Ansage

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Im Jemen kann die Jugendrevolution schnell zum Bürgerkrieg und zum Zerfall des Landes führen. Alle Indizien sprechen dafür, dass das Land keine glückliche Revolution erleben wird.

Tomas Avenarius, Kairo

Wer den arabischen Albtraum der internationalen Politik skizzieren will, sollte auf den Jemen schauen. Das Land im Süden der arabischen Halbinsel ist arm und rückständig: Kaum Rohstoffe, keine Industrie, zu wenig Jobs, versiegende Trinkwasservorräte. Dazu kommen Jahrzehnte der Gewalt: Sturz der Monarchie, Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd, eine Ära der zwei Staaten und eine misslungene Wiedervereinigung samt neuer Sezessionsrufe aus dem Süden.

Proteste im Jemen - in Bildern
:Die Wut der Massen

Proteste auf dem Platz des Wandels: Seit Wochen fordern die Demonstranten in der jemenitischen Haupstadt Sanaa nach dem Vorbild anderer arabischer Länder den Rücktritt von Präsident Salih. Die Bilder.

Auch in den letzten Jahren blieben die Zustände chaotisch: In der Hauptstadt buhlen hartleibige Islamisten-Prediger um die Wortführerschaft. Sie halten lediglich Anstandsabstand zu den Dschihadisten, die andere Landesteile in eine Al-Qaida-Basis verwandelt haben. Das nahe Horn von Afrika erlaubt es den Militanten, Kontakt zu den Gesinnungsgenossen in Somalia zu halten. Zwischen all dem bekriegen sich Jemens Stämme, rebellieren Kleingruppen wie die Huthis.

Kein anderes Land scheint weniger geeignet zu sein für die von der Jugend getragene allarabische Revolte. Die hat die Autokraten in Ägypten und Tunesien im Handumdrehen gestürzt. Vor ihr zittert nun jeder Potentat, auch der im Jemen. Der "Kampf gegen den Terror" hatte die USA und Europa verleitet, mit Staatschef Ali Salih zusammenzuarbeiten und ihn aufzurüsten. Der Jemenite ist ein Mann der alten arabischen Welt: Er herrscht mit Gewalt, manipuliert die mächtigen Stämme, erlaubt Korruption, Folter und Unterdrückung der Meinungsfreiheit, betreibt Patronage.

Fast alle dachten, der Jemen in seiner derzeitigen Verfassung würde ohne Salih unregierbar werden. Der Präsident gilt als "einer, der auf einem Schlangennest tanzen kann". Jetzt aber meldet sich die neue arabische Welt zu Wort. Auch die Jemeniten fordern Freiheit und Mitsprache. Der Schlangennesttänzer gerät aus dem Tritt: Nach wochenlangen Demonstrationen hat er schießen lassen. Salihs Ende erahnend sind einige Generale übergelaufen. Aber eben nicht alle. Der Präsident wankt, und dem Jemen droht der Absturz in neue Gewalt.

Im Jemen kann die Jugendrevolution schnell zu Bürgerkrieg und zum Zerfall des Landes führen. Gleichzeitig sind die Bedingungen im Land derart komplex, dass niemand von außen wird eingreifen können. Der Jemen zerfällt trotz Wiedervereinigung noch immer in Nord und Süd sowie in Stammesterritorien, in denen die Zentralregierung wenig Macht hat. Ägypten, Tunesien oder Syrien verfügen über funktionierende Institutionen, der Jemen hat sie kaum. Säkulare Stimmen können sich wenig Gehör verschaffen gegenüber den Traditionalisten, gar nicht zu reden über die Islamisten.

Und noch etwas unterscheidet das Land von den anderen arabischen Staaten: Vom Heranwachsenden bis zum Greis ist fast jeder bewaffnet. Es käme also fast einem Wunder gleich, sollte die Revolution im Jemen glücken. Wenn das Land aber im Chaos versinkt, dann wird der Rest der Welt nur zuschauen können.

© SZ vom 23.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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