Aufregung um US-Polit-Roman:"O" - Geheimnisse über Obama

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In den USA erscheint diese Woche ein Schlüsselroman über den kommenden Präsidentschaftswahlkampf - und das politische Washington erschaudert. Die heißdiskutierte Frage: Wer ist der Autor des anonym verfassten Romans?

Reymer Klüver

In die Läden kommt der Roman mit dem Ein-Buchstaben-Titel erst in dieser Woche. Doch schon jetzt dürfte klar sein, dass O auf der Bestseller-Liste ziemlich weit oben landet, dank einer provokanten PR-Kampagne und einer allzu menschlichen Schwäche: der Neugierde. Denn der "präsidentielle Roman", wie es im Untertitel heißt, ist ein schlecht verhüllter (weil denkbar leicht zu entschlüsselnder) Schlüsselroman über den möglichen Verlauf des anstehenden Präsidentschaftswahlkampfs 2012.

Der Autor des mit Spannung erwarteten Polit-Romans "O" war laut Pressemitteilung schon "in einem Zimmer mit Obama". Mit anderen Worten: Es könnte jeder sein in Washington. (Foto: REUTERS)

O ist da natürlich niemand anderes als Barack Obama. Und verfasst wurde der politische Zukunftsroman von einem gewissen "Anonymous", einem Autor, wie der Verlag Simon & Schuster sibyllinisch in einer Pressemitteilung formulierte, der "in einem Zimmer mit Barack Obama war". Mit anderen Worten: Es könnte jeder sein in Washington.

Listig setzte der Verlag in seiner Pressemitteilung hinzu, er bitte alle Journalisten in DC, die Autorenschaft zu dementieren - egal ob man es nun sei oder nicht. Und so gibt es in Amerikas Hauptstadt dieser Tage kaum ein wichtigeres Thema: Wer ist der anonyme Politszenen-Spezialist? Das Vorbild ist klar: 1996 hatte der heutige Time-Kolumnist Joe Klein als Anonymous Primary Colors geschrieben, einen Schlüsselroman über den Präsidentschaftswahlkampf Bill Clintons vier Jahre zuvor. Erst nach Monaten kam die Washington Post Klein auf die Schliche und outete den Washingtoner Insider als Autor.

In Primary Colors präsentierte Klein das Leben im Wahlkampf clintonesk prall: Auf politische Skandale irgendwo in den Bergen von Arkansas kam die Rede und auf einen Tunichtgut als Bruder, eine hyperambitionierte Ehefrau tauchte ebenso auf wie die eine oder andere Dame, die der Kandidat nach anstrengendem Wahlkampftag noch zu unterhalten verstand. All das gibt es in Obamaland nicht. Jedenfalls ist bis heute dergleichen nicht nach draußen gedrungen. Und auch O hat in der Beziehung keine Neuigkeiten zu bieten.

Vielmehr sind die Figuren ziemlich platt lebenden Vorbildern abgekupfert und verhalten sich so, wie man es zumindest in der Washingtoner Medienwelt kennt: Avi Samuelson, der stets leicht zerknautscht und melancholisch wirkende Berater von O, ist natürlich niemand anderes als David Axelrod; Bianca Stefani die schrille linke Salonlöwin und Blog-Gründerin Arianna Huffington. Und beim Sarah-Palin-Abbild ließ sich Anonymous nicht einmal einen eigenen Spitznamen einfallen. Die Roman-Figur heißt "Barracuda" - wie im richtigen Leben. Wie kommentierte Jacob Weisberg, der Chef von Slate, einem Washingtoner Online Magazine: "Hört sich an, als wäre ,O' ziemlicher Mist."

© SZ vom 24.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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